Mit dem Mercedes-Benz 300 SL Rennsportwagen (W 194), der in insgesamt zehn Exemplaren gebaut wird, steigt die Marke nach dem Zweiten Weltkrieg im Jahr 1952 äußerst erfolgreich wieder in den internationalen Motorsport ein. Zu den großen Triumphen gehören Doppelsiege bei den „24 Stunden von Le Mans“ und der Carrera Panamericana. Der Vorstand beschließt, im Jahr 1953 direkt an diese reichhaltige Bilanz anzuknüpfen. So fällt die Entscheidung, für die neue Motorsportsaison ein verbessertes Fahrzeug zu entwickeln. Der Prototyp erhält die Chassis-Endnummer 00011/53 und ist im Vergleich zum ursprünglichen 300 SL Rennsportwagen in vielen Punkten optimiert, um die Fahrleistung zu steigern. So bietet der Motor dank der neu eingebauten Benzindirekteinspritzung 215 PS (158 kW), gut 40 PS (29 kW) mehr als die vergaserbestückte Urversion. Zudem wird das Getriebe in Transaxle-Anordnung untergebracht, erstmals eine Eingelenk-Pendelachse eingesetzt, die Kühlluftführung geändert, das Fahrzeug insgesamt im Gewicht erleichtert sowie das Fahrwerk überarbeitet. Und die Entwickler verringern die Stirnfläche. Diese geänderte Frontgestaltung bringt dem Fahrzeug den Spitznamen „Hobel“ ein. Das Fahrzeug ist konkurrenzfähig und Anfang 1953 fertig. Doch dann beschließt das Unternehmen, ab 1954 wieder im Grand-Prix-Sport anzutreten und mit einem völlig neu zu entwickelnden Rennwagen in der Formel 1 zu starten. Diesem Ziel werden alle anderen Motorsportaktivitäten untergeordnet, so dass das geplante Rennsportengagement für 1953 entfällt und der „Hobel“ nie im Wettbewerb eingesetzt wird. Stattdessen liefert er für den neuen Formel-1-Rennwagen W 196 wichtige Erkenntnisse. Vor allem aber ist er aufgrund des Einspritzmotors eine wichtige Hinführung zum berühmten Seriensportwagen 300 SL „Gullwing“ (W 198), der ab 1954 gebaut wird. Der „Hobel“ auf der Solitude – und Hans Herrmann brilliert 12. Oktober 1953. Mercedes-Benz lässt den Solitude-Ring einen ganzen Tag für Probefahrten reservieren, auch um den Fahrern eine Trainingsmöglichkeit für die Saison 1954 zu geben. Da die Strecke auf normalen Verkehrsstraßen verläuft, übernehmen 150 Polizisten die Absperrung. Zwei 300 SL stehen zur Verfügung: ein Rennsportwagen der Saison 1952 und das Fahrzeug mit der Chassis-Endnummer 00011/53. Start und Ziel ist beim Glemseck. Rennleiter Alfred Neubauer läuft wie bei einem Rennen zur Hochform auf: Reifen, Treibstofftonnen, Signalflaggen, Zeitnahme werden aufgeboten, Mechaniker und Ingenieure sind anwesend, dazu Fotografen und Sanitäter. Eine perfekte Organisation für einen Trainingstag. Die schnellste Runde stellt der jüngste Fahrer auf: Hans Herrmann umrundet den 11,7 Kilometer langen Kurs in 4 Minuten und 52 Sekunden und deklassiert damit deutlich arriviertere Fahrer: Karl Kling (5:17 Minuten), Hermann Lang (5:10 Minuten), Fritz Rieß (5:07 Minuten) sowie Versuchs-Chef Rudolf Uhlenhaut (5:03 Minuten). „Überraschend wiederum war die Fahrleistung unseres Nachwuchsfahrers Hans Herrmann, der Einzige, der die Fünf-Minuten-Grenze unterschritt und den offiziellen Rundenrekord von Motorradfahrer Kavanagh schlug“, vermerkt Neubauer in seinem Bericht – und sichert der Marke auch aufgrund dieser außergewöhnlichen Schnellfahrt das junge Talent für die Saison 1954. Bis heute ist Hans Herrmann den Fahrzeugen mit dem Stern eng verbunden. Als einer der Markenbotschafter von Mercedes-Benz Classic geht er immer wieder bei namhaften Veranstaltungen am Steuer historischer Rennwagen an den Start. Solitude Revival 2015 Mercedes-Benz Classic wird den 300 SL „Hobel“ beim Solitude Revival 2015 am Samstag, 18. Juli über die legendäre Strecke bewegen. Am Freitag (17. Juli) und am Sonntag (19. Juli) ist das Fahrzeug im Fahrerlager ausgestellt und kann ausführlich bewundert werden.
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