Dienstag, 30. Dezember 2008 1952: Das Mercedes 300 SL Rennsportcoupé
Auf den klassischen Mercedes-Benz Kühler wird zugunsten eines flachen Rennwagengesichtes aus der Vorkriegszeit verzichtet. Nicht jedoch auf den Mercedesstern, der gross und unübersehbar auf dem Gitter der Kühlluftöffnung thront.
Die 24 Stunden von Le Mans zählen seit 1923 zu einem der Höhepunkte der Motorsportsaison. 1952 meldet die Daimler-Benz AG drei der neuentwickelten, futuristisch anmutenden Mercedes-Benz 300 SL Rennsportcoupés zu diesem geschichtsträchtigen Ausdauerrennen. Die Wettbewerber sind erstaunt, aber nicht weiter beunruhigt, denn erstens hat Mercedes in Le Mans noch nie eine besondere Rolle gespielt, und zudem sind die Wagen aus Untertürkheim denen der Franzosen, Briten und Italiener leistungsmässig unterlegen. Aber immerhin, Mercedes-Benz tritt erneut an. Erstmals hatten die neuen SL bei der Mille Miglia Anfang Mai Speed und Stehvermögen gezeigt und in diesem bedeutenden Langstreckenrennen einen beachtlichen zweiten Platz erzielt. Mit einem Dreifachsieg beim Preis von Bern kommt der 300 SL erneut in die Schlagzeilen.
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Im FIA-Reglement findet sich seinerzeit übrigens kein Passus, wie und in welcher Richtung Türen öffnen sollen. Trotzdem erregen sie bei der Wagenabnahme zur Mille Miglia im Mai 1952 heftig die Gemüter der Sportkommissare. |
Der zum M 194 mutierte Sportmotor unterscheidet sich von seinen zivilen 3-Liter-Brüdern nicht nur in der Leistung, sondern auch durch eine Besonderheit: Er wird in einem Winkel von 50° nach links liegend eingebaut. |
Tacho und Drehzahlmesser liegen unter einer gemeinsamen Haube, darunter, etwas kleiner, die Instrumente für Wassertemperatur, Benzindruck, Öltemperatur und Öldruck. Selbst eine Stoppuhr ist installiert. |
Gitterrohrrahmen: Er wiegt magere 50 Kilogramm und wird zum nachgerade berühmten Rückgrat nicht nur des W 194 und der 1954 präsentierten Serien-Version , sondern auch der erfolgreichen Renn- und Rennsportwagen der Jahre 1954/55. |
Durchsichtzeichnung des Mercedes-Benz Rennsportcoupé 300 SL Baureihe W 194, 1952. |
Mercedes-Benz Rennsportwagen 300 SL in der Roadsterversion. |
1952: Bei der Mille Miglia fährt ein Mercedes-Benz 300 SL auf den zweiten Platz. |
Mercedes-Benz 300 SL Rennsportcoupé, Sieger der 24 Stungen von Le Mans, 1952 |
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Nun also Le Mans. Beim Training erregt einer der Mercedes-Benz heftiges Aufsehen. Auf seinem Dach ist eine Luftbremse montiert, die, senkrecht gestellt, enorme Wirkung zeigt beim Herunterbremsen aus hohen Geschwindigkeiten. Allerdings rütteln die auftretenden Kräfte auch nachhaltig an den Haltepylonen; Mercedes verzichtet im Rennen auf deren Einsatz. Das Rennen wird für Mercedes-Benz zu einer eindrucksvollen Demonstration der Leistungsfähigkeit. Am Samstag, 14. Juni 1952, 16 Uhr, stehen 58 hochkarätige Renner am Start. Bei Halbzeit sind es noch 31. Auch das SL-Team Kling/Klenk ist mit Lichtmaschinenschaden aus dem Rennen. Die beiden anderen SL laufen wie Uhrwerke, mittlerweile auf den Plätzen zwei und drei. Vier Stunden vor Rennende drehen noch 19 Wagen ihre Runden, nach 23 Stunden nur noch 17; an der Spitze führen die Mercedes-Benz uneinholbar. Die Sieger heissen Hermann Lang/Fritz Riess mit einem Gesamtdurchschnitt von 155,575 Stundenkilometern, ein neuer Rekord in der Le-Mans-Historie. Zweite sind Theo Helfrich/Helmut Niedermayr. Dieser Doppelsieg ist ein Erfolg, mit dem niemand gerechnet hat, nicht einmal der Veranstalter, denn dem fehlt schlicht die deutsche Nationalhymne. Die SL jedoch haben den Grundstein zu ihrer Legende gelegt. Was waren das für Autos, die für die Fachwelt fast aus dem Nichts wieder auf den Rennstrecken erscheinen und offensichtlich in bester Mercedes-Benz Silberpfeil-Tradition unterwegs sind? Der Ur-300 SL, Fahrgestell-Nummer W 194 010 00001/52, absolviert die ersten Probefahrten im November 1951 auf der Solitude-Rennstrecke vor den Toren Stuttgarts, auf dem Nürburg- und dem Hockenheimring. Am 12. März 1952 wird einer erregten, staunenden Presse das Mercedes-Benz 300 SL Rennsportcoupé, das ungewohnt glatt und niedrig daherkommt – es ist nur 1225 Millimeter hoch – auf der Autobahn zwischen Stuttgart und Heilbronn vorgestellt. Subtiler Feinschliff fördert rund 170 PS zu Tage. Mehr ist zunächst nicht aus drei Liter Hubraum herauszukitzeln. Mit dem Aluminium-Aufbau geben sich die Karosseriebauer in Untertürkheim und Sindelfingen besondere Mühe. Der Wagenkörper gerät dank des schräg eingebauten Motors und der angestrebten Windschlüpfigkeit sehr niedrig. Die Türen sind ein Kapitel für sich. Um einem Gitterrohrrahmen hohe Stabilität zu geben, muss er im Bereich der Fahrgastzelle möglichst breit gestaltet sein. Diese Notwendigkeit führt zu den spektakulären, später so berühmten Flügeltüren. Nach Le Mans sollen die SL, insgesamt wurden 11 Fahrzeuge gebaut, bei einem Sportwagenrennen auf dem Nürburgring starten. Um die vier für dieses Rennen vorgesehenen Wagen so leicht wie möglich zu machen, werden drei Coupés kurzerhand die Dächer abgeschnitten. Ein Wagen wird von vorn herein als Roadster aufgebaut.
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