Samstag, 27. November 2010 Faszinierend und noch immer verkannt: Erdgasantrieb
Unwissenheit oder Skepsis? Noch hat sich die Alternative Erdgas nicht durchgesetzt. Foto: Aral/Auto-Reporter.NET
Was ist schiefgelaufen? Alles sei vorhanden, um Autos gewissermaßen über Nacht zu ausgesprochenen Sparkünstlern beim CO2-Ausstoß zum machen, aber der Drang, dieses Wunder per Erdgasantrieb zu erleben, wolle offensichtlich einfach nicht aufkommen. Solche Klage führte jetzt bei einem Pressegespräch in Berlin Prof. Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des Instituts „CAR-Center Automotive Research“ an der Universität Duisburg-Essen. Dabei verwies er auf eine aktuelle Studie dieses Instituts, die die Chancen und Möglichkeiten von Erdgas (CNG) als alternativem Kraftstoff analysiert. Gerade für das von Automobilherstellern verfolgte Prinzip des Downsizings der Motoren, um per Hubraumverkleinerung und Aufladung geringeren Kraftstoffverbrauch zu erreichen, sei der Einsatz von CNG eine ideale Ergänzung, weil ein mit Erdgas betriebener Motor das Einsparpotenzial von CO2 zusätzlich vergrößere.
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Heute sei es mit relativ geringen Mehrkosten möglich, ein Auto für Erdgasantrieb zu präparieren. Beispielsweise müsse etwa ein spezieller Tank vorgesehen werden. Bei Kleinwagen, die mit CNG betankt werden, wäre ein CO2-Ausstoß von weniger als 80, ja sogar 70 Gramm pro Kilometer realisierbar. In der Studie lässt eine Simulation schlussfolgern: Wenn CNG in Deutschland bei den Neuwagen ab 2016 einen Marktanteil von acht Prozent erreicht, sinken die CO2-Emissionen aller (!) Neuwagen um 7 g CO2/km.
Während in Europa Neuwagen mit Erdgasantrieb vor allem Italien punkten, sie erreichen einen erstaunlichen Marktanteil von sieben Prozent, halten sich in Deutschland gegenüber CNG hartnäckig Vorbehalte. Es könne sogar passieren, dass einem eigentlich entschlossenen Autokäufer, der sich ein Erdgasfahrzeug zulegen will, diese Absicht im Verkaufsgespräch wieder ausgeredet werde, gab Prof. Dudenhöffer ein Beispiel für die paradoxe Situation, mit der man es in Deutschland zu tun habe. Obwohl es ein Angebot von Erdgas-Neufahrzeugen als auch CNG-Tankstellen gebe und das Fahren mit Erdgas obendrein kostengünstiger sei, komme das Thema Erdgasantrieb hierzulande nur schleppend voran, folgten Taten nur zögerlich. Unbegreiflich sei das erst recht angesichts der Erkenntnis, dass es mit Biogas (Biomethan) einen erneuerbaren Energieträger gebe, der die gleiche Qualität wie Erdgas habe. Mittlerweile seien in Deutschland schon 26 Biogasanlagen ans Erdgasnetz angeschlossen.
Die Studie listet auch Gründe für den geringen Marktanteil erdgasbetriebener Fahrzeugen in Deutschland auf. Nicht berücksichtigt werde, dass sich die Mehrkosten beim Erwerb eines Erdgasfahrzeugs schon bei geringen Fahrleistungen amortisieren. Die Erdgas mobil GmbH lässt Zahlen sprechen: Für zehn Euro komme man mit einem Auto, das Super tankt, 87 Kilometer weit. Hätte das Gefährt einen Dieselmotor, wären fürs gleich Geld 137 Kilometer zu schaffen, Autogas brächte 155 Kilometer weit und Erdgas 206 Kilometer.
Zurückhaltung beim Kauf eines Ergasfahrzeugs wird auch mit dem noch dünnen Tankstellennetz begründet. Zwar gibt es europaweit noch kein flächendeckendes Erdgastankstellennetz, in Deutschland, Österreich und Italien muss wohl lediglich daran gegangen werden, die vorhandene Infrastruktur zu optimieren. Noch immer fehlt es Autofahrern offenbar auch an ausreichender Kenntnis über den Nutzen von CNG und den Unterschied zwischen Erdgas und Autogas. Und: Der Vertrieb von Erdgasfahrzeugen lässt ebenso zu wünschen übrig wie das Angebot attraktiver Volumenmodelle. Polo und Golf nennt die Studie in diesem Zusammenhang. Aber immerhin: Mehr als 25 Modelle verschiedener Marken, darunter zahlreiche Nutzfahrzeuge, werden in Deutschland schon angeboten. Förderlich freilich ist nicht, dass es in Europa keine einheitlichen Fördermaßnahmen für den Kauf von Erdgasfahrzeugen gibt.
Eigentlich werben Erdgasfahrzeuge selbst für sich; ein VW Passat 1.4 TSI Eco BlueMotion beispielsweise. Wird dessen 150 PS leistender Motor mit Erdgas betrieben, käme ein CO2-Ausstoß von 123 g/km zustande, was mit einem Kraftstoffverbrauch von 4,5 l/100 gleichzusetzen wäre. Betreibt man den Motor aber mit einem Mix aus CNG (75 %) und Bio-Methan (25 %), stößt er – bei gleicher Leistung – nur noch 93 Gramm CO2 pro Kilometer aus, was einem Verbrauch von 4,1 l/100 entspricht. Das lässt die Bedeutung des nachwachsenden Energieträgers Biomethan erkennen.
Die Studie kommt zu dem Schluss, dass Erdgas als ideale Plattform für den Übergang zu elektrischen und teilelektrischen Antrieben besser genutzt werden müsse. Mit Erdgas-Hybriden könnten schon heute – ohne Zusatzkosten – die Klimaschutz-Vorgaben des Jahres 2020 erfüllt werden. Zitat: „Erdgas und Elektromobilität ergänzen sich. Erdgas ist ideale Brückentechnologie ins Zeitalter der Elektromobilität. Kostengünstiger kann man die Brücke nicht bauen.“(Auto-Reporter.NET/Wolfram Riedel)
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