Sonntag, 15. Juni 2008 Spritfresser für Raser
911 Carrera
Auch Sportwagenhersteller sehen sich heute in der Pflicht, den Spritverbrauch zu senken. Sie müssen dabei sogar eine schnellere Gangart vorlegen, wenn sie nicht mehr noch als heute dafür gerügt werden wollen, Spritfresser für Raser herzustellen. Mehr denn je stellt sich die Frage, ob es gelingen kann, dem Sportwagen eine Rolle im Leben von morgen zu erhalten.
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Die Antwort schallt einem schon entgegen, bevor man die Frage ausgesprochen hat: Niemand braucht solche Autos. Aber andererseits: Wer braucht schon ein ganzes Einfamilienhaus für sich und seine Familie? Wer braucht mehr als ein Zimmer? Wer muss denn den ganzen Winter über heizen? Wieso müssen wir uns eigentlich von A nach B bewegen, wo wir doch nach A gehören? Alles Luxus. Alles überflüssig wie ein Sieben-Gang-Menü beim Drei-Sterne-Koch statt Wasser und Brot? Es hängt eben alles von der Perspektive ab. Und genau da sitzen die Sportwagenhersteller in der Falle. Für den Erfolg im Markt müssen sie ins Rennen um maximale Leistung möglichst von der Poleposition starten. Für die Anerkennung durch Gesellschaft und veröffentlichte Meinung müssten sie sich gerade heute in Zurückhaltung üben. Solange Kunde und Fans auf hohe PS-Zahlen schielen, wird sich an diesem scheinbar unauflösbaren Widerspruch nichts ändern. Oder traut sich jemand zu, die Leistungserwartungen an einen Sportwagen zu dämpfen und dennoch im Markt erfolgreich zu sein? Dafür müsste es den Herstellern gelingen, die Erwartungshaltung bei Kunden und Gesellschaft zu ändern. Wir brauchen also eine neue Definition für den Begriff "Sportwagen". Schaut man sich den neuen Porsche 911 an, bekommt man den Eindruck, die Stuttgarter hätten diese Definition gefunden, reden aber nicht darüber. Sie sehen sich und ihre Marke offenbar stark genug, einen neuen Sportwagen-Begriff umzusetzen, ohne groß darüber zu sprechen. Der neue 911 leistet mehr, beschleunigt besser und verbraucht weniger. Das ist zur Zeit keine aufregende Botschaft, weil letztlich alle Hersteller in allen Wagenklassen mit ähnlichen Aussagen aufwarten. Porsche geht aber noch einen Schritt weiter, der ebenfalls technisch nicht revolutionär ist, aber den Porsche-Fahrer unmerklich in eine neue Dimension führen kann. Denn mit dem Porsche Doppelkupplungsgetriebe (PDK) verleitet der neue 911-er seinen Fahrer zum Cruisen. Die Elektronik schaltet so früh wie möglich hoch, so dass das Drehzahlniveau niedrig bleibt. Der siebte Gang des PDK wird sogar als Overdrive ausgelegt, der die Drehzahlen um rund 30 Prozent heruntersetzt. Wer 911 fährt, muss der Welt um sich herum nicht mehr beweisen, dass sein Auto schnell ist. Mit der Marke hat er auch die Gelassenheit erworben, ruhig zu bleiben und rechts zu fahren. Mit dem neuen Motor und dem PDK weiß er, dass er sofort Bestleistung erhalten kann, wenn er sie braucht oder genießen möchte. Er kann seinem Porsche per Tastendruck sogar rennstreckentauglich einstellen - wenn er das mag. Nach dieser neuen Sportwagen-Definition muss sich der Porsche-Fahrer nicht damit abfinden, beim Leistungsvergleich ins Hintertreffen zugeraten. Er kann - wenn er will - mindestens ebenso viel wie andere. Die Technik hilft ihm aber, auch am Kraftstoffsparen Vergnügen zu finden. Und als Sahnehäubchen obendrauf gibt’s die kleinere Tankrechnung, vielleicht ein wenig mehr Respekt und weniger Missgunst. Schliesslich sind nicht alle Sportwagenfahrer Raser sind und nicht alle Sportwagen Spritfresser. (ar/Sm)
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