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Motorsport: Heritage

Freitag, 23. März 2012 Die Entwicklung des Rennsportwagens 300 SL (W 194)

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Rennsportwagen Merceedes-Benz 300 SL (W 194, 1952), Chassisnummer 8.Rennsportwagen Merceedes-Benz 300 SL (W 194, 1952), Chassisnummer 8.

1951 lässt der damalige Generaldirektor Wilhelm Haspel der Daimler-Benz AG den internationalen Motorsport von seinen Fachleuten aufmerksam beobachten. Ihm ist ein Engagement im Motorsport wichtig, um das Ansehen des Unternehmens rund um den Globus wieder zu Strahlkraft zu bringen. Bestärkt wird er darin in den seit 1946 nie abreißenden Anfragen, besonders aus dem angelsächsischen Raum, wann denn Daimler-Benz wieder in den internationalen Rennsport einsteige.
Ein Grand-Prix-Engagement wird allerdings quasi uninteressant aufgrund der Entscheidung der FIA (Féderation Internationale de l’Automobile), dass ab 1954 eine neue Rennwagen-Formel gelten werde (2,5 Liter Hubraum mit Saugmotor oder 0,75 Liter Hubraum mit Kompressormotor). Denn die verbleibende Laufzeit der noch gültigen 1,5-Liter-Formel rechtfertigt kaum die Entwicklung eines komplett neuen Rennwagens.

 

Um Haspels Forderungen gerecht zu werden, bleibt nur ein Engangement bei Sportwagenrennen. Hier sieht Haspel durchaus eine Chance und als Basis die auf der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt am Main im Frühjahr 1951 vorgestellten neuen Personenwagen Typ 220 und 300 mit ihren neuen Motoren mit oben liegenden Nockenwellen. In Untertürkheim ist es nämlich nicht unbemerkt geblieben, dass Jaguar aus Komponenten seiner 3,5-Liter-Limousine Mark VII den Sportwagen XK 120 entwickelt hatte, der im internationalen Rennsport erfolgreich ist.
Sicher ist, dass der repräsentativen Limousine vom Typ 300 (Baureihe W 186) ein sportlicher Zweisitzer zur Seite gestellt wird. Dieser ist nahezu parallel entwickelt worden und debütiert im Herbst 1951 als Typ 300 S (W 188) auf dem Pariser Auto-Salon. Haspel spielt mit dem Gedanken, diesen für Sportzwecke einzusetzen.
Sein Motor M 194 ist vom Aggregat des Typ 300 abgeleitet, dem M 186 mit schräger Trennfläche zwischen Zylinderkopf und Motorblock, oben liegender Nockenwelle, großen Einlassventilen, Verbrennungsraum in Kolben und Motorblock, 3 Liter Hubraum und 115 PS (85 kW). Für den Einsatz im Rennsportwagen steigern die Ingenieure die Leistung auf rund 170 PS (125 kW). Der Sportmotor unterscheidet sich von den Motoren in Limousine und Coupé aber nicht nur in der Leistung, sondern auch durch den Einbau im Winkel von 50 Grad nach links geneigt sowie durch eine Trockensumpfschmierung, die aufgrund des Wegfalls einer Ölwanne einen tieferen Einbau ermöglicht.
Gewichtseinsparungen sind bei Motor und Getriebe des heranreifenden W 194 kaum möglich. Auch die ebenfalls vom Typ 300 übernommenen Achsen aus Stahl wiegen schwer. So kann nur noch im Rahmen und in der Karosserie Gewicht gespart werden. Eine weitere Option zur Wettbewerbsfähigkeit ist es, einen möglichst windschlüpfigen Aufbau zu finden. Rudolf Uhlenhaut, zu diesem Zeitpunkt Leiter des Pkw-Versuchs bei Daimler-Benz, nimmt daher seine Idee eines leichten Rohrrahmens wieder auf, mit dem er sich einige Jahre zuvor schon befasst hat. Diese Idee entwickeln die Konstrukteure bis zur Vollendung weiter. Es entsteht ein leichter, aus sehr dünnen Rohren zu Dreiecken zusammengesetzter, extrem verwindungssteifer Gitterrohrrahmen, dessen Rohrelemente nur auf Druck und Zug beansprucht werden. Bei Verdrehversuchen ist der Gitterrohrrahmen steifer als das Chassis des Formel-Rennwagens W 154 aus der Vorkriegszeit, das damals einen großen Fortschritt dargestellt hatte. Der Gitterrohrrahmen wiegt lediglich 50 Kilogramm und wird zum Rückgrat des W 194. Der Erfolg auf der Gewichtsseite ist dramatisch: Wiegt ein Typ 300 S rund 1780 Kilogramm, so kommt der Typ 300 SL (W 194) auf ein Gewicht von nur 1100 Kilogramm.
Die Karosserie dieses ersten SL nimmt bereits Kennzeichen der späteren Serien-Sportwagen vorweg. Dazu gehört das flache Rennwagengesicht aus der Vorkriegszeit mit einem auf dem Gitter der Kühlluftöffnung angebrachten Mercedes-Stern. Mit dem Aluminium-Aufbau geben sich die Karosseriebauer in Untertürkheim und Sindelfingen besondere Mühe. Der Wagenkörper gerät dank des schräg eingebauten Motors und der angestrebten Windschlüpfigkeit sehr niedrig.
Die Türen sind ein Kapitel für sich: Um einem Gitterrohrrahmen hohe Stabilität zu geben, muss er im Bereich der Fahrgastzelle möglichst breit gestaltet sein. Diese Notwendigkeit führt zu den spektakulären und später so berühmten Flügeltüren. Die Türen, tief ins Dach eingeschnitten, öffnen nach oben und erinnern dabei an ausgebreitete Flügel, weshalb der Wagen von den Amerikanern „Gull Wing“ (Möwenflügel) und von den Franzosen „Papillon“ (Schmetterling) getauft wird. Fahrer und Beifahrer steigen von oben ein.
In der Summe seiner konstruktiven Eigenschaften ist der Mercedes-Benz 300 SL (W 194) eines der ausgefeiltesten Technikprodukte seiner Zeit. Und zugleich entsteht ein Rennsportwagen, der die Saison 1952 dominiert.

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