Mittwoch, 24. Dezember 2008 Auf der Jagd nach Rekorden: William K. Vanderbilt
Mercedes-Simplex 40 PS, 1902. Bei diesem Fahrzeug handelt es sich um den ältesten noch existierenden Mercedes.
Wiliam Kissam Vanderbilt Jr. - bei Freunden auch als "Willie K." bekannt - wird 1878 als eins von drei Kindern in ein äusserst wohlhabendes Elternhaus geboren. Früh erhält er im Freundes- und Bekanntenkreis seiner Eltern Zugang zu Automobilen und darf immer wieder mitfahren. Die Ausfahrten dürften ihn geprägt haben, wie seine spätere starke Begeisterung für Autos zeigt. 1888 weilt er in Frankreich und lässt sich die Luft der Alten Welt um die Nase wehen. Albert Jules Graf de Dion, ein Freund der Familie, Automobilpionier und -hersteller, lädt den damals neunjährigen Willie K. zu einer Fahrt auf seinem Dampfdreirad ein. Zusammen rollen sie von Beaulieu nach Monte Carlo.
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Im Juli 1899 ist es soweit: Vanderbilt kauft drei Monate nach seiner Hochzeit mit Virginia Graham Fair, Tochter des ehemaligen Senators von Kalifornien, sein erstes Auto - mit einem Elektroantrieb, wie damals nicht unüblich. Doch er ist mit den Fahrleistungen nicht zufrieden und tauscht das Fahrzeug rasch gegen einen Stanley mit Dampfantrieb ein. Vanderbilt entscheidet sich für ein Benzinauto, zunächst für ein britisches Dreirad, das er aber sofort wieder veräussert - es ist ihm einfach zu langsam. 1899 kauft er für 5000 Dollar einen französischen Mors mit 6 PS, immerhin 32 km/h schnell. Gleich nach der Auslieferung fährt er die mehr als 900 Kilometer lange Strecke von Paris nach Nizza in weniger als 40 Stunden. Im Juni 1900 kauft Vanderbilt einen Daimler Phoenix, ein Rennwagen, der ihn die stolze Summe von 10'000 Dollar kostet. Mit dem White Ghost (Weisser Geist) genannten Auto, dessen Motor 23 PS leistet, ist eine Höchstgeschwindigkeit von fast 100 km/h möglich - endlich ein Gefährt ganz nach dem Geschmack von Vanderbilt. Mit ihm unterbietet er den Geschwindigkeitsrekord zwischen Newport und Boston gleich um die Hälfte und liegt nur leicht über der Fahrzeit der Eisenbahn - weil er wegen zu schnellen Fahrens verhaftet wird und erst nach einer Stunde gegen eine Kaution von 25 Dollar weiterfahren darf. Nach und nach kommen weitere Amerikaner auf den Geschmack sportlicher Autos. Doch wer ist der Schnellste? Verschiedene, rein privat organisierte Rennen werden gefahren. Vanderbilt ist oft dabei. Mittlerweile hat er einen Mercedes, den er Red Devil (Roter Teufel) getauft hat. Er erreicht mit 35 PS eine Spitzengeschwindigkeit von mehr als 100 km/h. Gleich bei der ersten Ausfahrt wird Vanderbilt wieder wegen zu schnellen Fahrens verhaftet - er trägt solche Zwischenfälle mit Fassung. 1901 wird in der Nähe von Newport eine kleine Rennstrecke gebaut, doch die halbe Meile (rund 800 Meter) fordern Vanderbilt auf seinem Red Devil kaum heraus. Immer wieder kommt er nach Europa, wo der Autorennsport schon viel stärker lebt. Im März 1902 nimmt er in Cannstatt einen Mercedes Simplex 40 PS mit Rennkarosserie in Empfang. Im Frühjahr 1902 fährt Vanderbilt mit dem Mercedes auf der Strasse zwischen Ablis und Chartre einen neuen Geschwindigkeitsrekord über einen Kilometer mit fliegendem Start, sein Mercedes Simplex erreicht 111,8 km/h. Die Teilnahme an den damals beliebten Langstreckenrennen und immer neuen Rekordfahrten in Europa und Amerika sind für Vanderbilt sportlicher Zeitvertreib, festigen den Ruf von Mercedes und bescheren der Daimler-Motoren-Gesellschaft zunehmend prominente Käufer. Als Léon Serpollet sich in einem Dampfauto mit 120,8 km/h den Rekord für Landfahrzeuge sichert, lässt es Vanderbilt nicht ruhen. Auf einem Mors mit 60 PS legt er 122,4 km/h vor - und ist als erster Amerikaner der schnellste Mann auf Erden. Die Nachricht spricht sich natürlich rasch nach Amerika herum. Das Interesse am Motorsport steigt. In Daytona am Ormond Beach findet im Januar 1904 ein Rennen statt - und Vanderbilt erscheint mit einem Mercedes, der 90 PS leistet. Sogleich stellt er einen neuen Weltrekord auf, 148,5 km/h über eine englische Meile ist die bisher höchste mit einem Auto erzielte Geschwindigkeit. Die bisherigen Autorennen in Amerika sind alle mehr oder weniger privat organisiert. Vanderbilt erkennt das Potential solcher Veranstaltungen für das breite Publikum - und verspricht eine eigene Rennserie. Die erste Veranstaltung des "Vanderbilt Cup" findet 1904 auf Long Island statt. Es ist der erste internationale Motorsportwettbewerb in Amerika - damit darf Vanderbilt zurecht als die Person bezeichnet werden, die den Autorennsport in die Vereinigten Staaten brachte. Am 8. Januar 1944 stirbt William Kissam Vanderbilt in seinem Haus an der Park Avenue in New York. Er wird 65 Jahre alt.
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