Die 24 Stunden von Le Mans zählen schon seit 1923 zu den Höhepunkten der Motorsportsaison. Nach relativ erfolglosen Jahren auf dieser Strecke, meldete die Daimler-Benz AG 1952 zu diesem geschichtsträchtigen Ausdauerrennen drei der neu entwickelten, futuristisch anmutenden Mercedes-Benz 300 SL Rennsportcoupés. Die Wettbewerber waren erstaunt aber nicht weiter beunruhigt, denn Mercedes hatte in Le Mans ja noch nie eine besondere Rolle gespielt. Sie alle hätten besser aufpassen sollen.
Die werksintern W 194 bezeichneten stromlinienförmige Sportwagen mit dem phänomenalen cw-Wert von nur 0,25 und merkwürdigem Einstieg durch eine Klappe, die von der Unterkante der Seitenscheibe bis zur Dachmitte reichte, traten erstmals am 4. Mai 1952 bei der Mille Miglia an. In diesem bedeutenden Langstreckenrennen holten sie auf Anhieb einen zweiten Platz. Mit einem Dreifachsieg beim Preis von Bern kam der 300 SL erneut in die Schlagzeilen. Spätestens da hätten bei den Gegnern von damals alle Glocken läuten müssen.
Nun also Le Mans. Am Samstag, den 14. Juni 1952 standen um 16 Uhr insgesamt 58 hochkarätige Rennwagen am Start. Bei Halbzeit waren es noch 31. Auch das SL-Team Kling/Klenk fiel aus (Lichtmaschinenschaden). Die beiden anderen SL dagegen liefen wie Uhrwerke. Vier Stunden vor Rennende drehten noch 19 Wagen ihre Runden, nach 23 Stunden noch 17, vorne führten die 300 SL uneinholbar. Die Sieger hießen Hermann Lang und Fritz Rieß mit einem Gesamtdurchschnitt von 155,575 km/h. Ein neuer Rekord in der Le-Mans-Historie. Zweite waren Theo Helfrich und Helmut Niedermayr. Mit dem Doppelsieg hatte niemand gerechnet, weder Mercedes und erst recht nicht der Veranstalter. Bei der Siegerehrung fehlte die deutsche Nationalhymne...
Den ersten und letzten Rennauftritt in Deutschland hatten die 300 SL im Rahmenrennen des Großen Preises von Deutschland am 3. August 1952 auf dem Nürburgring. Lang, Kling, Rieß und Helfrich landeten einen Vierfachsieg. Alle vier fuhren übrigens offen mit abgeschnittenen Dächern – wegen des besseren Überblicks in den unübersichtlichen Nordschleifen-Kurven.
Die härteste Probe wartete auf die 300 SL in Mexiko vom 19. bis 23. November1952: die 3.500 km lange Carrera Panamericana. Eine Tortur für Fahrer und Autos. Die Fahrer waren Karl Kling/Hans Klenk (Startnummer 4), Hermann Lang/Erwin Grupp (3) sowie John Fitch/Eugen Geiger (6) im Spyder und "auto motor sport" Sportredakteur Günther Molter, der den Ersatzwagen (einen Spyder) betreute. Nach knapp 19 Stunden erreichten Kling/Klenk das Ziel vor Lang/Grupp als Sieger, drei Stunden schneller als der alte Rekord. Ein denkwürdiges Erlebnis hatten Kling/Klenk im Rennen: Bei voller Fahrt prallte ein Geier in ihre Windschutzscheibe, verletzte Beifahrer Klenk am Kopf. Abends wurden schnell Gitterstäbe vor die Scheibe montiert – der Wagen ist heute so im Daimler-Benz-Museum in Stuttgart zu sehen. Mit diesem Doppelsieg endete die Rennkarriere des W 194.
Eine wunderbare Geschichte, die eine Ausstellung in Hamburg mit einem tiefen Blick in die Geschichte des weltweit ältesten Langstreckenrennens ergänzt.
Automuseum Prototyp in der Hamburger HafenCity/Shanghaiallee 7, www.prototyp-hamburg.de, bis März 2010, außer Montags, 10 bis 18 Uhr. Darunter auch die Le Mans-Legende 300 SL. mcn/stahn
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