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Motorsport: Heritage

Montag, 7. Dezember 2009 Sizilianisches Finale für Mercedes: Targa Florio 1955

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Targa Florio, 16.10.1955. Stirling Moss auf Mercedes-Benz Typ 300 SLR-Sport-Rennwagen mit der Startnummer 104. Mercedes-Benz Sieger-Team: Stirling Moss/Peter Collins.Targa Florio, 16.10.1955. Stirling Moss auf Mercedes-Benz Typ 300 SLR-Sport-Rennwagen mit der Startnummer 104. Mercedes-Benz Sieger-Team: Stirling Moss/Peter Collins.

Mit 45 Mechanikern und einer Flotte von acht Lastwagen reist die Rennabteilung nach Sizilien, um sich auf die Targa Florio vorzubereiten, die am 16. Oktober 1955 stattfindet. Allein Moss und Fangio drehen auf der 72 Kilometer langen Strecke mehr als hundert Trainingsrunden. „Mein Schicksalsrennen“ nennt Neubauer im Rückblick diesen Wettbewerb, der über den Gewinn des Meisterschaftstitels entscheiden wird. Der Teamleiter schont weder Fahrer noch Material: „Ich hetze die Jungs von früh bis spät über die Strecke, bis ihnen schwindlig wird, bis sie jede Kurve, jede Steigung im Schlaf herbeten können.“ Zum Ausgleich versorgt Neubauer, berühmt für seine Liebe zu gutem Essen und Wein, seine Mannschaft mit dem Besten, das die sizilianische Küche zu bieten hat: Jeden Morgen fährt er persönlich auf den Markt und kauft ein. Auf dem Speiseplan stehen „kiloweise Kaffee, ganze Kisten mit Käse, Salami, Sardinen und Körbe mit Eiern und Tomaten“.

 

Die einmalige Betreuung der Fahrer durch die Rennabteilung hat Stirling Moss schon bei seinen Testfahrten im Herbst 1954 beeindruckt: Von Bremsstaub verschmiert, steigt der Brite aus dem Cockpit, da reicht ihm ein Mechaniker bereits heißes Wasser, Seife und Handtuch.
Neubauer brütet derweil über der Taktik: „Nie habe ich ein Rennen gründlicher vorbereitet und sorgfältiger geplant. Ich lege noch einmal all meine Erfahrungen, mein Können, meine Tricks und meine Liebe in diese Targa Florio 1955.“ Der vielleicht wichtigste Plan des Rennstrategen betrifft den Fahrerwechsel: Im Gegensatz zu den sonst üblichen Übergaben der Lenkräder nach drei Runden sollen die Mercedes-Benz Fahrer diesmal das Cockpit erst nach vier Runden tauschen. Uhlenhaut lässt die 300 SLR für die harte Strecke verstärken.
Um 7 Uhr am 16. Oktober startet der erste Wagen. Moss setzt sich an die Spitze der Wertung, fällt dann nach einem Unfall auf Platz drei zurück. Der 300 SLR trägt zwar äußerlich deutliche Spuren des Ausrutschers. Doch die Mechanik des Rennsportwagens ist noch völlig intakt. Peter Collins übernimmt das Steuer des Fahrzeugs und stellt schon in der ersten Runde mit dem verbeulten Mercedes einen neuen Rundenrekord auf. In Führung liegend übergibt Collins an Moss, und dieser gewinnt mit einem Vorsprung von vier Minuten und 55 Sekunden vor Juan Manuel Fangio. John Fitch und Desmond Titterington kommen im dritten 300 SLR hinter Eugenio Castellotti und Robert Manzon (Ferrari 860 Monza) auf den vierten Platz. Mercedes-Benz hat den Doppelsieg errungen, der zum Gewinn der Markenweltmeisterschaft nötig war – das Ziel ist erreicht.

Schon vier Tage vor der Targa Florio ist in der Daimler-Benz AG der endgültige Entschluss gefallen, sich für einige Jahre komplett aus dem Motorsport zurückzuziehen. Sicher hat Leveghs schrecklicher Unfall in Le Mans die Entscheidung unterstützt. Doch der Rückzug von Mercedes-Benz aus dem Rennsport ist keine Reaktion auf das Unglück. Das Ende des Engagements in der Formel 1 hat bereits früh in der Saison festgestanden, nur die Teilnahme an Sportwagenrennen im kommenden Jahr ist noch überlegt worden.
Aber zu viele Argumente sprechen gegen eine Fortführung der Rennaktivitäten. Einerseits ist der Aufwand immens, der für Entwicklung und Bau der Fahrzeuge sowie die Betreuung der Rennen geleistet wird, um dem eigenen Anspruch gerecht zu werden. Die Kräfte der Ingeniere und Mechaniker braucht die Daimler-Benz AG dringender für die Entwicklung neuer Personenwagen. Der Technische Vorstand Fritz Nallinger bekräftigt das bei der Ehrung der erfolgreichen Rennfahrer am 22. Oktober 1955: „Die Weiterentwicklung unseres Produktionsprogramms lässt es uns ratsam erscheinen, nunmehr diese hoch qualifizierten Kräfte ohne allzu starke Überbelastung allein auf jenem Gebiet tätig werden zu lassen, das für unsere zahlreiche Kundschaft in aller Welt am interessantesten ist, nämlich auf dem Gebiet des Serienwagenbaues. Meinen Mitarbeitern werden dabei die aus dem Rennwagenbau gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen zugute kommen.“
Dabei profitiert die Entwicklung von Personenwagen schon 1955 längst nicht mehr so deutlich von den technischen Erkenntnissen aus dem Bau der Rennwagen, wie das vor dem Zweiten Weltkrieg der Fall gewesen ist. Auch Rennleiter Neubauer kennt die neuen Anforderungen, denen sich die Entwickler von Personenwagen stellen müssen: „Bessere Sicht, komfortablere Ausstattung, blendfreie Scheinwerfer, die innere Sicherheit des Wagens, eine sportlich-elegante Form – das sind Aufgaben, denen sich die Konstrukteure heute mehr als früher widmen müssen.“
Der Abschied aus dem Rennsport ist ein ehrenvoller Rückzug auf der Höhe des Erfolges: 1955 haben die Rennwagen W 196 R an sieben Wettbewerben teilgenommen und dabei sechsmal gesiegt, fünf zweite Plätze und einen dritten Rang erreicht. Die Rennsportwagen 300 SLR sind bei sechs Rennen gestartet, haben jeweils fünf Siege und zweite Plätze erreicht sowie einen dritten Platz.

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