Sonntag, 15. Februar 2009 Audi R8 5.2 FSI Quattro: Faszination hoch zehn
Audi R8 5.2 FSI quattro
"In diesen grauen Tagen wird eine Fahrt mit diesem Auto zu einem Sonnentag", sagte Altmeister Jacky Ickx, bevor er sich zu weiteren Runden auf der privaten Rennstrecke Ascari in den Bergen nördlich vom spanischen Marbella erneut ans Steuer setzte. Er liess offen, ob er das verregnete Wetter in Spanien oder die Lage der Weltkonjunktur meinte. Jackx Ickx, mit seinen 64 Jahren Urgestein der Formel 1, in der er zwei Mal Vice-Weltmeister wurde und auch die 24 Stunden von Le Mans gewann, machte dieses Kompliment dem neuen Spitzensportler von Audi. Der neue R8-Mittelmotorrenner hört gleich auf zwei Namen: den offiziellen "Audi R8 5.2 FSI Quattro", aus dem man lernt, dass der Saugermotor mit Direkteinspritzund 5,2 Liter Hubraum hat und mit einem Allradantrieb die Strassen bewältigt und den eher liebevollen "Audi R8 V10", der auf die zehn Zylinder des Motors hinweist.
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Was macht ihn so besonders, dass der Mann, der in seiner Vergangenheit mit Cooper, Tyrell, Brabham, McLaren, Lotus und vielen anderen insgesamt 118 Formel 1-Punkte sammelte, sich zu so begeisterten Äusserungen hinreissen lässt? Wer vor dem R8 steht, ahnt es. Die Grundform des R8 kennt man seit 2007. Seitdem hat Audi mehr als 10'000 ausgeliefert. Und dennoch fordert der V10 zusätzlich Respekt vor der Leistung der Designer ein. Besonders das Heck mit den riesigen ovalen Auspuffendrohren, dem übergrossen Diffusor und der breiten, schwarzen Heckschürze verdeutlicht, wes Geistes Kind dieser Sportwagen ist. Dynamischer kann man Dynamik mit Blech nicht modellieren. Im Innenraum bestätigt sich dieser Eindruck. Das Cockpit mit den zentralen Rundinstrumenten, mit weissen Zifferblättern und roter Beleuchtung spricht ebenfalls eine deutliche Sprache: Dies hier ist die Zentrale für die Beherrschung von motorischen Urgewalten. Als angenehm empfindet man, dass der Innenraum nichts von der spartanischen Gestaltung der sogenannten Sport-Puristen hat. Hier gibt es Raum für die Passgiere, ergänzt um Komfort und den Qualitätseindruck, wie man ihn bei Produkten aus Ingolstadt gewohnt ist. Die besondere Qualität des V10 eröffnet sich einem sofort, wenn man mit einem Dreh am Zündschlüssel das Kommando zum Start des Zehnzylinders gegeben hat. Der Klang, der mit dem ersten Druck aufs Gaspedal in die Kabine dringt, hat nichts von der Eleganz eines Sechszylinders. Auch das kernige und schnelle Stakkato des Achtzylinders kann hier nicht mithalten. Zehn ist die Zahl der Wahl, wenn es um das Abspielen motorischer Symphonien geht. Bis 8300 U/min lässt er sich hochdrehen. Seine Kolben bewegen sich dann mit der Formel 1-Geschwindigkeit von 27 Metern pro Sekunde durch die Zylinder. Und bei keiner Drehzahl macht sich Langeweile breit. Vielleicht ist es der Klang dieses Motors, der bei Jacky Ickx das Rennfahrerherz höher schlagen lässt. Aber dem geht es vermutlich noch mehr um die Leistung: 525 PS bei 8000 U/min sind ein Wort bei einem zulässigen Gesamtgewicht von 1910 Kilogramm. Das maximale Drehmoment von 550 Nm bei 6500 U/min lässt ahnen, was dieses Paket leisten kann: In 3,6 Sekunden sind die 100 km/h erreicht, in zwölf Sekunden die 200 km/h. Die Spitze wird mit 316 km/h abgegeben; der Durchschnittsverbrauch (nach EU-Norm) mit 13,7 Litern. Zur umfangreichen Serienausstattung des V10 gehört ein Sechs-Gang-Handschalter. Wir hätten allerdings keine Hemmungen, uns für die sequentielle Sechs-Gang-R-tronic zu entscheiden. Wenn wir für den Kauf des V10 sowieso schon den Basispreis von 142'400 Euro eingeplant hätten, schmerzten uns die rund 7000 Euro zusätzlich auch nicht mehr. Dafür hätten wir dann aber ein Getriebe, das automatisch arbeitet oder von Hand per Paddel am abgeflachten Lenkrad oder am Schaltknauf in Rennoptik gesteuert werden kann und zusätzlich unterschiedlich sportliche Fahrmodi ermöglicht. Schon oft konnte man lesen, ein Auto fahre wie auf Schienen. Die mit 1,93 Meter Breite, der tiefe Schwerpunkt, die Reifen (vorn 235/35 ZR 19, hinten 295/30 ZR 19), die Einzelradaufhängung an Doppelquerlenkern vorn und hinten, der Allradantrieb und letztlich auch das ESP sorgen dafür, dass die Beschreibung bei R8 V10 keine Übertreibung darstellt. Man kommt aus dem Staunen in den engen Bergstrecken im Süden Spaniens kaum noch heraus, solle sich allerdings vor Übermut hüten. Auch dieser Sportwagen kann die Physik nicht überwinden. Aber dafür hilft er der Psyche auf die Sprünge. Es ist eine Freude, und man versteht rasch, was Ickx mit dem Sonnentag gemeint hat. Hier ist der leidenschaftliche Autofahrer Mensch, hier darf er’s sein. Das ist Ausgleichssport für von Wetter oder Konjunktur gequälte Seelen. Ach, könnte es doch ein Volkssport werden. (ar)
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