Dann berichtet er noch, die Federung sei so ausgelegt, dass die Hinterachse die geringsten Bewegungen mitmache – alles für die Hinterbänkler mit dem Sinn fürs Besondere. Man gut, dass wir dieses Mal im Maybach die nächsten Stunden vorn sitzen werden und so nicht in die Gefahr geraten, das Beste zu verschlafen. Wäre doch schade, wo wir doch auch schon von außen zur Kenntnis nehmen konnten, wie man aus einem bereits opulenten SUV Mercedes-Benz GLS einen verehrungswürdigen automobilen Schrein schafft, der unter den Irdischen starke Gefühle auslöst, so oder so – je nach kultureller Herkunft.
Der Glanz, der einen bei jedem Kontakt blendet, stammt vom vielen Chrom, der das Besondere von allen Seiten unterstreicht. Der Kühlergrill sperrt den eindrucksvoll großen Lufteinlass aus blank polierten senkrechten Stäbe ab wie einen Käfig, ob wohl der V8 dahinter bestimmt nicht ausbrechen will. Die dicken 22-Zoll-Speichenräder – auch 23 Zoll sind möglich – geben der äußeren Erscheinung nicht nur im Wortsinn etwas Erhabenes. Das amerikanischen Format mit 5,12 Meter Länge und 1,84 Meter Höhe ist bemerkenswert, wo doch hierzulande beim Auto auch Größe schon zu religiösem Eifer führt.
Eigentlich fehlt nur die Dachterrasse
Um nicht in die Gefahr zu geraten, im Fond hängenzubleiben, begannen wir unsere Besichtigung ganz hinten vor dem Gepäckabteil mit der nicht ganz ernst gemeinten Frage, ob der hineinragende Kühlschrank nicht zu viel Raum verbrauche. Beim Blick vor die Kulissen, in das Homeoffice hinter den großen hinteren Türen war klar, dass der Vorrat an Lebensmitteln und Getränken gar nicht groß genug sein kann. Hier nur für den Nachschub wieder auszusteigen, ist ein Sakrileg. Mechanisch lassen sich die Sitze mit denen in der ersten Klasse einer erstklassigen Luftlinie vergleichen – ebenso multifunktional und variabel, aber viel schöner in dem fast weißen Leder. Nappa-Leder überall. Ein elektrisch öffnendes Panorama-Schiebe-Hebedach mit blickdichter Jalousie gehört ebenso zum Wohnkomfort wie die Klimatisierung der Massagesitze.
Hätte ich einen, würde ich bei diesem Auto allerdings öfter auch mal vorn sitzen wollen und den Konzern meinen Leuten überlassen. An den Vordertüren erwartet einen zunächst ein automatisch ausfahrendes Trittbrett und dann ein Bereich, der sich den alten Begriff Fahrerhaus verdient. Das ist mehr als Armaturentafel oder Cockpit. Hier ist der Zentral der Haustechnik des rollenden Homeoffice: übersichtlich, groß, selbsterklärend zumindest für Mercedes-Benz-Fahrer und überwältigend bei Materialwahl.
Auch wenn er auf jedes Gelände vorbereitet werden kann und ein Gewässer im Modelnamen führt, wird wohl kein Maybach eine Furt durchwaten oder eine Geröllhalde erklimmen. Das ist in seinen Kreisen nicht schicklich. Aber er könnte. Doch daran denkt keiner, wenn er an diesem Volant sitzt und den Anlasser-Button drückt. Der Klang ist gar nicht so weit weg vom Surren eines Elektromotors. Der AMG schnurrt. Da liegt es näher, mit das Maybach-Fahrmodus nach den Grenzen des Komforts zu suchen.
Dazu programmieren wir ein Ziel ein, entscheiden uns für den Spurhalteassistenten, die Adaptive Geschwindigkeitsanpassung und stellen uns das Maximum an autonomem Fahren ein, das nach deutschen Recht möglich ist. Jetzt hält er die Mitte der Spur, fahrt Kurven selbsttätig und fast seitenkraftfrei, weil er sich in die hineinlehnt, bremst vor jedem Kreisel selbst auf die bequeme Geschwindigkeit fürs Umrunden ein, nimmt vor der Autobahnabfahrt Gas heraus und bewegt sich mit der höchsten zulässigen Geschwindigkeit, solange ihm die Navigation nicht mitteilt, dass dieses Tempo für die nächste Kurve zu hoch wäre.
Ist das nun das perfekte Auto? Jedenfalls trägt es als einziges Modell des Konzerns seinen Stern wieder auf der Kühlerhaube, stolz wie Rolls Royce seine Emily. Wie das Urteil über diesen Mercedes-Maybach ausfällt, werden uns die Amerikaner und die Chinesen schon sagen. Dort werden die Hauptabsatzmärkte liegen. (ampnet/Sm)
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