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Technik & Design: Fahrwerk

Freitag, 29. Februar 2008 1893: Carl Benz und die Achsschenkel-Lenkung

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Benz Viktoria-Kraftwagen, 1893, Carl und Bertha Benz.Benz Viktoria-Kraftwagen, 1893, Carl und Bertha Benz.

1886 kommen unabhängig voneinander zwei epochale Erfindungen auf die Strasse: in Mannheim der Benz Patent-Motorwagen, ein schon recht komplett durchkonstruiertes Gefährt, und in Stuttgart die Daimler-Motorkutsche, die, wie der Name sagt, eine von einem Motor getriebene Kutsche. Beiden Fahrzeugen fehlt jedoch ein ganz entscheidendes Detail: Eine zum Motorfahrzeug passende, den Gegebenheiten und Geschwindigkeiten gewachsene Lenkung.

Das Patent für die Achsschenkellenkung von Karl Benz wurde 1893 ausgestellt. Die Verlängerungen der Radachse, so lautet das Prinzip, müssen im Kurvenmittelpunkt zusammenlaufen.
Das Patent für die Achsschenkellenkung von Karl Benz wurde 1893 ausgestellt. Die Verlängerungen der Radachse, so lautet das Prinzip, müssen im Kurvenmittelpunkt zusammenlaufen.
 

Carl Benz hat sich mit deren Konstruktion erst gar nicht aufgehalten, sondern zunächst ein Dreirad auf die Räder gestellt. Und Gottlieb Daimler wollte vorrangig beweisen, dass sein kleiner, schnelllaufender Benzinmotor sehr wohl zum Antrieb von Fahrzeugen taugt - daher die Kutsche. Mehr sollte und konnte es im ersten Ansatz nicht sein.
Eine Kutsch- oder Wagenlenkung ist zu dieser Zeit, wenn auch über Jahrhunderte verfeinert, immer noch eine Drehschemel-Lenkung, bei der die komplette Vorderachse samt Rädern um einen Drehzapfen schwenkt, bei eleganten oder wendigeren Ausführungen unter dem Wagenkörper hindurch und daher meist mit kleineren Rädern bestückt als die Hinterachse. So verharren die automobilen Motorfahrzeuge der ersten Jahre in dieser Beziehung weitgehend auf dem technischen Stand der Kutsche.
Den beiden Erfindern des Automobils ist zunächst nicht bekannt, dass schon 1816 der Kutschen- und Wagenbauer Georg Lankensperger aus München ein "Privileg" - so heissen seinerzeit Patente - auf eine "Lenkvorrichtung für Pferdewagen" erhalten hatte. Vom Prinzip her stellt diese Konstruktion die Lösung des Problems dar und wird 1873 von Amédée Bollée für seinen Dampfwagen erneut patentiert, gerät dann aber aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen in Vergessenheit.
Per Zufall stösst Carl Benz beim Studium einer technischen Fachzeitschrift im Jahre 1891 auf dieses "Privileg" und erkennt die Bedeutung des Funktionsprinzips für das Automobil, bei dem "die Verlängerung der Radachsen im Kurvenmittelpunkt zusammenlaufen müssen". Kurz, er erkennt in der Achsschenkel-Lenkung die Lösung des automobilen Lenkungsproblems.
In penibler Kleinarbeit entwickelt er eine für diesen Zweck brauchbare Konstruktion - sie muss ja von einer Lenkkurbel und nicht von einer Deichsel bewegt werden - und baut sie in seinen Patent-Motorwagen ein. Etliche Verbesserungen folgen, bis sie sowohl leichtgängig als auch zuverlässig fahrfähig und damit auch patentfähig ist.
Seine "Wagen-Lenkvorrichtung mit tangential zu den Rädern zu stellenden Lenkkreisen" meldet Carl Benz am 28. Februar 1893 zum Patent an. Diesem Patent Nr. DRP 73515 kommt schlagartig weltweite Bedeutung zu, und es führt verständlicherweise zu zahlreichen Neukonstruktionen und auch Umbauten bereits bestehender Fahrzeuge.
Der erste vierrädrige Wagen, den Benz mit dieser epochal neuen Lenkung Käufern und Publikum vorstellt, ist der Patent-Motorwagen "Victoria". Gebaut wird er in verschiedenen Ausführungen und mit 3 bis 6 PS Motorleistung von 1893 bis 1900. Das Modell Victoria ist zeitlebens der Lieblingswagen von Carl Benz.

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