Doch er konnte. Offensichtlich unbeeindruckt zog der Turbo mit bei diesen Verhältnissen scheinbar unvernünftiger Geschwindigkeit über die Bahn, mal in einer Bugwelle von Schmelzwasser verschwindend, mal den Schnee vom Fahrbahnrand aufwirbelnd. Damit war jedem eindrucksvoll vor Augen geführt: Die spektakulärste Errungenschaft des neuen Turbo ist sein Allradantrieb, das Porsche Traction Management (PTM). Das PTM teilt der Vorderachse stufenlos und schlupfunabhängig in weniger als 0,1 Sekunden das notwendige Antriebsmoment zu. Sollte die Hinterachse mal auf Glatteis stehen, können so bis zu 100 Prozent des Moments an die Vorderachse geleitet. Aber die ausgezeichnete Traktion auch auf glatten Strassen ist nur einer der Vorteile des neuen Systems. Wesentlicher ist die Auswirkung auf die Fahreigenschaften. Beim Kurvenfahren wächst die Agilität und bei Schnellfahrten im Bereich der Höchstgeschwindigkeit von 310 km/h die Stabilität. Die Verknüpfung des PTM mit den Sensoren des ESP-Systems Porsche Stability Control (PSM) gelingt den Weissacher Entwicklern ein deutlicher Schritt nach vor bei der aktiven Sicherheit. Der Turbo denkt mit; denn ein kurzes Kommando des Fahrers am Lenkrad hin, beendet der Allradantrieb durch die Verteilung der Momente auf die Achsen sowohl Über- als auch Untersteuern. Das ESP wird bei diesem Fahrwerk zu einem echten Notanker. Klar, dass ein solcher Antrieb sich für beste Rundenzeiten eignet, zumal das PTM auch schon beim Start hilft: Fuss auf die Bremse, Motor hochdrehen und beim Loslassen der Bremse schieben 480 PS mächtig nach vorn. Seinem Vorgänger nimmt er damit schon gleich einmal 20 Meter bis 30 Meter ab und passiert mit Tiptronic die 100-km/h-Marke nach 3,7 Sekunden. 60 PS mehr leistet der neue Sechszylinder mit 3,6 Litern Hubraum. Der Zugewinn ist vorwiegend einer neuen Turbolader-Technologie zuzuschreiben. Porsche arbeitet jetzt mit variablen Turbinengeometrie (VTG). Das Prinzip kennt man schon von der Doppelaufladung, bei der erst ein kleiner Lader für den Druck bei niedrigen Drehzahlen sorgt und gleichzeitig den grossen Lader anschiebt, der dann die hohen Drehzahlen übernimmt. Beim Porsche VTG findet dasselbe Prinzip in nur einem Gehäuse statt, in dem die Luftmengen elektronisch geregelt werden. Das Ergebnis ist ein maximales Drehmoment von 620 Nm im enorm breiten Drehzahlband von 1800 bis 5000 U/min. Die Aerodynamiker haben ihr Ziel erreicht. Der Turbo hat vorn und hinten einen negativen Auftriebsbeiwert. Je schneller, desto besser "klebt" er an der Strasse. Das ist das Ergebnis der Veränderungen am Unterboden und des neuen Spaltflügels am Heck, der bei 120 km/h ausfährt und sich bei 60 km/h wieder zurückzieht. Neu bei diesem Turbo ist auch die Belüftung der Hinterachs-Bremsanlage. Eine technische Meisterleistung ist in einer Zeit, in der ein Neuer stets fünf bis zehn Prozent schwerer ausfällt als der Alte: Der neue Porsche 911 Turbo ist um 5 Kilogramm leichter als sein Vorgänger. Dafür sind jetzt nicht nur die Motorhaube aus Aluminium, sondern auch beide Türen, wobei allein die Türen eine Gewichtsersparnis von 14 Kilogramm bringen. Der neue Turbo wiegt 1585 Kilogramm. Im Schnee in Weissach zeigten sich die Workshop-Teilnehmer beeindruckt. Es sieht so aus, als habe Porsche mal wieder das Mass der Dinge auf Reifen gestellt. So etwas hat natürlich seinen Preis, der Porsche 911 Turbo wird laut Auto-Reporter in Deutschland mehr als 133'000 Euro kosten.
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