Ihr Drehkolbenkompressor ist der Prototyp aller Roots-Kompressoren, wie sie auch heute noch im Automobilbau eingesetzt werden. Im Prinzip funktioniert das Roots-Gebläse wie eine Zahnradpumpe. Doch anstelle der ineinandergreifenden Zahnräder fördern zwei gegenläufige Walzen mit achtförmigen Querschnitten Gase. Die Walzen arbeiten mit minimalem Spaltmass in einem Gehäuse, dessen Innenraum im Prinzip aus zwei mit Abstand verbundenen Halbkreisen besteht. Die Verdichtung der Gase geschieht durch den Förderdruck. Der Kompressor wird von der Kurbelwelle angetrieben, beispielsweise im Mercedes-Benz 500 K beispielsweise dreht er sich mit vierfacher Motordrehzahl. Wird ein solches Roots-Gebläse vor dem Vergaser als sogenannter Druck-Kompressor montiert, presst es bereits vorverdichtete Luft in den Vergaser, der sie mit Treibstoff anreichert. Der Vorteil gegenüber einem Vergaser ohne vorgeschalteten Kompressor: Das Roots-Gebläse erhöht durch die Vorkompression den Füllungsgrad der Zylinder - und mehr Füllung ergibt mehr Leistung. Ein hinter dem Vergaser montierter Saug-Kompressor arbeitet nach dem gleichen Prinzip, er komprimiert als "nasser" Lader das Benzin-Luft-Gemisch. Der Effekt ist im Prinzip der gleiche wie beim Druckvergaser. Seine Vorteile offenbaren sich im Renneinsatz, wo der Saug-Kompressor dank besserer Innenkühlung durch das Benzin-Luft-Gemisch höher belastet werden kann. In den Mercedes- und Mercedes-Benz Serienautomobilen waren stets die besser zu wartenden Druckkompressoren eingebaut. Im Mercedes-Benz 500 K beispielsweise erzeugen sie einen Überdruck von 0,3 bar und bewirken eine Leistungssteigerung von 100 Saug-PS auf 160 Kompressor-PS. Schon kurz nach dem Ende des Ersten Weltkriegs bestückt Paul Daimler, der Sohn des Auto-Erfinders Gottlieb Daimler und Technischer Direktor der DMG, den Knight-Schiebermotor eines Mercedes 16/50 PS mit einem Roots-Gebläse. Er greift dabei auf Erfahrungen mit Kompressoren im Flug- und im U-Boot-Motorenbau während des Ersten Weltkriegs zurück, wo der mechanische Luftverdichter eingesetzt wird, um dem Leistungsabfall in grossen Höhen zu entgegnen. Der Schiebermotor erweist sich jedoch als nicht geeignet für den Kompressor-Einsatz. Es folgen viele Versuche mit der Roots-Aufladung im grossen Sechszylinder-Mercedes 28/95 PS mit 7,3 Liter Hubraum, der solchermassen modifiziert 140 PS leistet. Diese Experimente verlaufen viel versprechend. 1922 erringt Max Sailer bei der Targa Florio beim ersten Renn-Einsatz eines Kompressor-Mercedes mit dem aufgeladenen 28/95 PS gleich den ersten Platz in der Kategorie "Serienwagen über 4,5 Liter" und damit den zweiten Rang im Gesamtklassement. Schon zuvor hat Paul Daimler mit dem kleinen 2,6 Liter Vierzylinder-Mercedes 10/30 PS experimentiert, der 1921 mit Kompressor als 10/35 PS bei der Automobil-Ausstellung in Berlin zusammen mit dem 1,6 Liter Vierzylinder 6/20 PS für Aufsehen sorgt. Doch bis zur Serienreife vergehen noch zwei Jahre. Immerhin: Bei den 1924 in 10/40/65 PS und 6/25/40 PS umbenannten Autos bewirkt der Kompressor eine Leistungssteigerung von gut 50 Prozent. Dennoch: Die damals sehr aufwändige Technik fordert ihren Preis, die ersten Mercedes Kompressor-Wagen sind teure Automobile ihrer Zeit und sie verkaufen sich in nur bescheidenen Stückzahlen. Doch sie legen den Grundstein für die weitere Entwicklung. Trotz aller Superlative: Die Kompressor-Mercedes der frühen Jahre sind nur zaghafte Vorübungen für das, was Daimler-Benz ab 1927 auf die Räder stellt - die Mercedes-Benz S, SS, SSK und SSKL.
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