Nachtblindheit bedeutet zudem eine deutlich reduzierte Sehleistung bei Dämmerung und in der Dunkelheit. Dies lässt die Unfallgefahr erheblich ansteigen und macht die Nachtsichtsysteme von Autoliv, Bosch und demnächst auch Hella und Siemens VDO zu willkommenen Assistenten bei Nachtfahrten. Trotz des um 75 Prozent reduzierten Verkehrsaufkommens passieren 40 Prozent aller Verkehrsunfälle mit tödlichem Ausgang nachts; eine möglichst schnelle Verbreitung dieser Assistenztechnik erscheint daher wünschenswert. Bislang können nur Autofahrer in höheren Fahrzeugklassen auf die Technik zugreifen. Für knapp 2000 Euro kann sie entweder in der neuen Mercedes S-Klasse und bald auch in der E-Klasse geordert werden oder in den BMW-Baureihen 5er, 6er und 7er. Von den deutschen Fachjournalisten gab es für diese Night-Vision-Systeme kürzlich den "Topauto"-Preis als beste Innovation des Jahres. Beide Systeme führen zum Erfolg, wenn auch mit unterschiedlichem Ansatz. Beim schwedischen Zulieferer Autoliv erfasst eine Wärmebildkamera unterhalb des Stossfängers ihr Vorfeld bis auf 300 Meter. Sie nutzt den Effekt, dass Objekte, insbesondere Mensch und Tier, Wärme abstrahlen und sich dadurch deutlich vom kälteren Umfeld abgrenzen. Ein Rechner visualisiert die von den Objekten abgestrahlten langwelligen Infrarotstrahlen auf dem Monitor im Fahrzeug. Das Reh am dunklen Waldesrand erscheint nun hell auf dem ansonsten grauen Bildschirm und bewirkt durch die Helligkeit einen sofortigen Blick auf das Display, so selbstverständlich, wie man bei Licht im Rückspiegel nach hinten schaut. Die aufgehellten Objekte wirken wie eine Warnanzeige. Man hat genügend Zeit, angemessen zu reagieren. Spricht man bei dem System von Autoliv/BMW von passiver Infrarottechnik, handelt es sich bei Bosch/Mercedes-Benz um ein aktives Konzept. Letzterer Systemansatz ist 2007 auch von Hella mit dem Namen ADILIS (Advanced Infrared Lighting System) zu erwarten. In beiden Fällen leuchten spezielle Lampen aktiv mit für das menschliche Auge unsichtbarem, kurzwelligem Infrarotlicht die Fahrbahn und Fahrbahnränder bis auf 150 Meter im Voraus aus, also so weit wie mit aufgeblendeten Xenon-Scheinwerfern erreicht. Mercedes projiziert das sich ergebende schwarzweisse Infrarotbild direkt ins Blickfeld des Fahrers, nämlich ins Armaturenbrett anstelle der dann ausgeblendeten digitalen Tachoanzeige. Es erscheint ein durchaus scharfes, recht realistisches Bild, auf dem sich der Strassenverlauf und alle Objekte auf der Strasse und auch am Rand gleichermassen erkennen lassen. Man könnte sich versucht fühlen, nach diesem Monitorbild zu fahren. Ein weiterer Vorteil der aktiven Systeme liegt in der Multifunktionalität der im Fuss des Innenspiegels angebrachten hochauflösenden Kamera, die auch für weitere Assistenzsysteme wie z.B. der Spurerkennung genutzt werden kann. Das unterschiedliche Bildangebot von aktivem und passivem System zeigt denn auch die verschiedenen Philosophien der Konzepte. BMW räumt der rechtzeitigen Erkennbarkeit von Personen und Tieren mit eindringlichem Warncharakter die Priorität ein. Auf dem eigenen Grundstück kann auch die Katze in der Einfahrt oder ein Dieb vor dem Haus noch erkannt werden. Allerdings zu Lasten von Gegenständen auf der Strasse. Mercedes zeigt auch den Felsblock oder den verlorenen Auspuff des Vorausfahrenden auf der Strasse. Parkende Autos und Bäume am Strassenrand sind klar zu erkennen. Mensch und Tier heben sich aber nicht schärfer ab als der daneben stehende Baum. Das realistische Bild warnt also nicht eindringlich, lässt aber die Gefahrensituation aufgrund der Realitätsnähe gut erkennen. Unter 15 km/h geht das Bild allerdings aus. Die Auffahrt zum Haus oder in die Garage bleibt im Dunkeln.
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