Das Unternehmen kennt das Auf und Ab in der Geschichte von Automobilmarken. Erfolg war auch kein ständiger Begleiter der Fabrica Italiana di Automobili Torino. Man sah sich allerdings auch schon einmal an der Spitze. Vor vierzig Jahren galt Fiat als größter europäischer Automobilkonzern. Diesen Ruf unterstrich nicht zuletzt die Vergabe unzähliger Lizenzen zum Nachbau begehrter Fiat-Modelle. Und heute? – Das Unternehmen steckt in einer umfassenden Krise, die Schatten nicht nur auf den Absatz gegenwärtiger Modelle wirft. Im vergangenen Jahr rutschte der Autoverkauf um15 Prozent ab. Die Marken Fiat, Alfa-Romeo und Lancia fuhren einen Verlust von 500 Millionen Euro ein. Allein die US-Marke Chrysler, die Fiat nicht aus inniger Zuneigung, sondern aus nüchterner Berechnung unter seine Fittiche nahm, bescherte schwarze Zahlen.
Auch in diesem Jahr gehört Fiat zu den großen Verlierern; neben Opel, Ford, Renault. Zwar schwächelt ganz Europa beim Autoabsatz, aber dass Fiat ausgerechnet in Italien am tiefsten abstürzt, ist doppelt bedenklich. Marchionne selbst urteilte, Fiat sei „um Jahrzehnte zurückgefallen“. Er setzt auf einen neuen Investitionsplan, nachdem das bisherige Vorhaben, nämlich zwischen 2010 und 2014 insgesamt 20 Milliarden Euro in die Automobilproduktion zu investieren, angesichts der Schuldenkrise Italiens fallen gelassen wurde. Noch ist nicht klar zu erkennen, wie der Befreiungsschlag aussieht, den der Fiat-Chef für richtig hält. Dass er von Chryslers Absatzerfolgen in Nord- und Südamerika, letztlich aber auch von der italienischen Regierung Unterstützung erhofft, davon ist auszugehen. Fest steht, dass sich Marchionne mit der auffälligen Orientierung auf Chrysler bei seinen Landsleuten keine Freunde macht.
Die Situation bleibt ernst. Italiens Ministerpräsident Mario Monti ließ Fiat-Chef Sergio Marchionne antanzen, um von ihm persönlich zu hören, wie es denn mit dem Unternehmen weitergehen soll, das schließlich zu Italien gehört wie Wein und Pizza. Vermutlich wird auch Monti zu Ohren gekommen sein, dass in Fiats Vorstandsetage sogar Gedanken um den Verkauf der traditionsreichen Tochter Alfa Romeo kreisen. Als vermeintlichen Interessenten für die sportliche italienische Marke, derzeit tiefrote Zahlen schreibend, handeln die Medien Volkswagen. In Wolfsburg aber wird mit Verweis darauf, schließlich schon zwölf Marken unterm Konzerndach zu haben, mehr oder weniger eindeutig abgewinkt.
Vielleicht ist derzeit auch einfach der Kaufpreis für Alfa Romeo noch zu hoch. Das kann sich ändern. Die Not muss sehr groß sein, wenn sich Fiat tatsächlich bereit erklären sollte, mit Alfa Romeo das Tafelsilber des Unternehmens zu verhökern. Wie weiter? – Es sieht so aus, als habe Sergio Marchionne, bei Übernahme seines Amtes als Fiats Retter gefeiert, sein Ideenpulver verschossen. Dass er gern eigene Wege geht, brachte ihm den Ruf eines Zauberers ein. Zunächst war auch die Übernahme von Chrysler nicht zu begreifen. Schließlich fiel vom ehemaligen Partner Daimler schwere Last ab, als das Zusammengehen mit den Amerikanern, einst euphorisch als „Hochzeit im Himmel“ gefeiert, ein Ende fand; ein sehr verlustreiches für den einstigen Werber, wie die Gesamtbilanz dieser Autoehe ergab. Diesmal aber war es anders. Mit der Übernahme von Chrysler nahm Fiat seinen Retter an Bord. Das jedenfalls ergibt sich als derzeitige Momentaufnahme.
Gegen die Behauptung, das Unternehmen in eine Sackgasse getrieben zu haben, wehrt sich der Fiat-Chef vehement. Dass es ein Fehler gewesen sei, mit Chrysler anzubändeln, weist er von sich. Ohne Chrysler hätte Fiat „die Hölle durchgemacht“ soll Marchionne verärgert reagiert haben. Es scheint so, als sei Fiat aus der Hölle noch lange nicht heraus. (Auto-Reporter.NET/Wolfram Riedel)
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