Morgens 9.30 Uhr am Mittwoch, 21. Oktober 2015: Vor der Börse in der New Yorker Wall Street sieht es aus wie auf dem Parkplatz des Hotel de Paris in Monte Carlo: In Reih und Glied stehen Ferrari-Modelle aus Maranello vor dem Portal, das ebenso wie das der Luxusherberge am Mittelmeer an einen griechischen Tempel erinnert. Fahnen, ein riesiges Ferrari-Banner und eine Menge Schaulustiger lassen darauf schließen, dass hier etwas Besonderes passiert. Ein Transparent weist darauf hin, was zunächst nur Eingeweihte verstehen, „RACE listed NYSE" steht dort, was heißen soll, dass Ferrari-Aktien ab sofort unter dem Kürzel RACE (Rennen) an der New York Stock Exchange (New Yorker Börse) gehandelt werden.
Ferrari-Atmosphäre auch im Inneren der größten Wertpapierbörse der Welt. Die meisten Händler tragen Overalls in Ferrari-Rot sowie dazu gehörige Kappen und sorgen dafür, dass Fiat-Chrysler innerhalb von Minuten um fast eine Milliarde Dollar reicher wird. Auf Anhieb belegt die Ferrari-Aktie – was ihren Kursanstiegt angeht – die Pole Position. 17,18 Millionen Aktien waren zunächst zum Ausgabepreis von 52 Dollar (46 Euro) an den Start gegangen. Doch der erste Kurs lag mit 60 US-Dollar (53 Euro) bereits gut 15 Prozent über dem Emissionsbetrag. Nutznießer des Gewinns waren nicht nur die frisch gebackenen Ferrari-Anteilseigner. Ebenso wie sie dürfte sich Piero Ferrari, 70-jähriger Sohn des Firmengründers Enzo Ferrari, gefreut haben, dem nach wie vor zehn Prozent des Unternehmens gehören und der beim Börsengang in New York höchstpersönlich dabei war. Noch mehr ins Fäustchen gelacht haben aber dürfte sich der Ferrari-Mutterkonzern Fiat-Chrysler, der seine ihm verbliebenen 80 Prozent Ferrari-Anteile erst im Januar unter die eigenen Aktionäre bringen will.
Inzwischen freilich scheint die Euphorie verflogen, rund drei Wochen später pendelt der Kurs in der 50-Dollar-Gegend und liegt damit unter dem Ausgabekurs. Börsenhändler gehen davon aus, dass sich viele Markenfans bei Ferrari engagiert haben, denen für einen echten Sportwagen aus Maranello womöglich das nötige Kleingeld fehlte. Der Wert einer Aktie unterliegt langfristig anderen Einflüssen als der eines Autos, und sei es auch noch so ein Kultobjekt wie es die Ferraris zweifellos sind.“ Frank gibt zu bedenken, dass Ferrari einen großen Teil seines Wachstums auf so unsicheren Märkten wie China, Russland und dem Mittleren Osten erzielte, von denen niemand weiß, ob sie sich in naher Zukunft positiv entwickeln. Außerdem nimmt die Konkurrenz in der Ferrari-Klasse durch Marken wie Bugatti, McLaren oder Lamborghini zu und strengere Emissions-Vorgaben weltweit zwingen das Unternehmen, seine Autos technisch zu verändern: Im Motorraum kommt immer häufiger ein Turbo zum Einsatz, der den satten Sound der traditionellen Zwölfzylinder schmerzlich vermissen lässt. Und nicht zuletzt steht und fällt der Erfolg eines Unternehmens mit seiner Leitung. 1991 machte der damalige Fiat-Chef Gianni Agnelli den italienischen Manager Luca Cordero di Montezemolo zum Vorstandsvorsitzenden von Ferrari, das nach Enzo Ferraris Tod 1988 in wirtschaftliche Schwierigkeiten gekommen war, sich unter Montezemolos Führung aber rasch erholte. Mit ein Grund für den Erfolg waren mit Sicherheit die fünf Formel-1-Weltmeistertitel, die Michael Schumacher unter Montezemolo für Ferrari einfuhr. Der jetzige Ferrari-Chef Amadeo Felisa wird im kommenden Jahr 70 Jahre alt und geht dann in den Ruhestand. Wer sein Nachfolger wird, steht noch nicht fest. Doch schon jetzt deutet alles darauf hin, dass dem Neuen in der Formel 1 dank Ex-Weltmeister Sebastian Vettel wieder Erfolge ins Haus stehen. Und das dürfte auch der Ferrari-Aktie neuen Schub verleihen. (ampnet/hrr)
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