Selten polarisiert ein Auto in unserem Test-Fuhrpark wie die neue Alpine A110. Die Faszination des Sportlers in der Lackierung "Bleu Alpine" löst in seiner Neuauflage von anerkennenden Begeisterung bis zu neidischen Blicken aus.
Deutlich grösser geworden, präsentiert sich die in einer kleinen Fabrik in Dieppe gefertigte A110 mit Design-Anleihen aus der ersten Generation. Mit einer Länge von 4,18 Metern, 1,8 Meter Breite sowie 1,25 Meter Höhe bleiben die Proportionen aber wie bei der Berlinette-Ahnin aus den Sechzigern erfreulich kompakt und besonders flach.
Auffälligstes Merkmal der Alu-Karrosserie ist die flache Front mit den vier runden Leuchteinheiten, gefällig aber auch das Heck mit der gewölbten Scheibe oder dem mittig platzierten Auspuffrohr.
Damit sind wir bereits beim Antrieb angelangt. Der 1.8 Liter grosse Vierzylinder stemmt mittels Turboaufladung maximal 252 PS und 320 Newtonmeter Drehmoment bei 2000 Umdrehungen auf die Kurbelwelle.
So gerüstet tritt die Alpine in einem kleinen Segment von Sportlern wie dem Alfa Romeo 4C, Audi TTS oder dem Porsche Cayman an. Punkten lässt es sich hier mit der richtigen Balance aus Gewicht und Kraft. Bei der Alpine scheinen die Vorraussetzungen ideal. Sie bringt nur 1098 Kilogramm auf die Waage – fahrfertig ohne vollem 45 Liter-Tank. Ausgewogen auch die Gewichtsverteilung – dazu baut der Motor vor der Hinterachse – mit 49:51.
Im wertigen Cockpit empfangen uns perfekt konturierte und nur längsverstellbare Sabelt-Sportsitze. Diese sind auch für längere Touren geeignet, wie unser Praxistest zeigt. Die tiefe Sitzposition hält zudem den Schwerpunkt niedrig.
Für eine erste Adrenalin-Ausschüttung drücken wir den roten Startknopf auf der Mittelkonsole, die Funktion eines Schalthebels übernehmen drei Tasten. Ein ebenfalls roter Knopf im griffigen und unten abgeflachten Lenkrad regelt den Fahrmodus von Normal über Sport bis zu Track. Die Wahl verändert neben der Grafik der Instrumente auch die Gasannahme, den Motorsound sowie die Regelung der Stabilitätssysteme.
Dann geht es los: Was für ein kerniger Sound!
Hat man endlich eine kurvenreiche Strecke ohne Verkehr, so wird die Fahrt mit der A110 schnell zu einer Sucht. So flott, wie dann die Alpine A110 mit deren aufwendigen Radaufhängung um die Ecken geht, muss man sich langsam an die Kurvengeschwindigkeit herantasten. Man hat es mit direktem Handling, viel Motorkraft und vehement zupackenden Bremsen zu tun. Der Testwagen verfügt über 4-Kolben-Festsattelbremsen vorn und 1-Kolben-Festsattelbremsen hinten.
Bemerkenswert ist auch die lineare Kraftentwicklung des Aggregats. Der Drehzahlbereich geht bis knapp vor 7000 Umdrehungen - den meisten Fahrspass bietet das 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe, wenn man den jeweiligen Drehzahlbereich im Sport-Modus ausreizt.
Es fühlt sich schon ab ersten Metern ganz gut an. Aber so richtig ausfahren kann man die Leistung erst auf abgesperrten Pisten. Der Spurt auf Tempo 100 gelingt in 4,5 Sekunden, darüber ist noch lange nicht Schluss mit der Beschleunigung und die Höchstgeschwindigkeit beziffert der Hersteller mit 250 km/h. Dennoch, die Zahlen können das Fahrgefühl nicht beschreiben. In keiner Weise.
Kunden für Sportler dieser Art bevorzugen Fahrspass statt Alltagstauglichkeit. Entsprechend muss man das Gaspedal schon sehr sanft betätigen um in Richtung des Normwert von 6,1 Litern beim Verbrauch zu kommen. Steht der Spassfaktor im Vordergrund, so steigt der Verbrauch dennoch kaum auf neun Liter, auf langen Autobahn-Passagen sind es nur 6,7 Liter im Durchschnitt. In Ordnung gehen auch 196 Liter Volumen für die beiden Gepäckfächer – vorne 96 Liter und hinten 100 Liter.
Insgesamt erweist sich die ab 62'700 Franken erhältliche Alpine A110 in unserem Test als Traum-Sportwagen mit Rennstrecken-Qualitäten. Wer einmal gefahren ist, weiss warum. atn/war
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