Donnerstag, 15. Dezember 2022 Mercedes-AMG C 63 S E-Performance: König Vierzylinder
Mercedes-AMG C 63 S E-Performance. Foto: Autoren-Union Mobilität/Knödler
Abkehr vom ikonischen V8: Der C 63, der jetzt mit vollem Namen Mercedes-AMG C 63 S E-Performance heißt, kommt mit einem 2,0-Liter-Vierzylinder-Turbo. E-Performance, das heißt: Er wird als Hybrid zusätzlich mit einem Elektromotor an der Hinterachse angetrieben – und deshalb gibt es ihn nur mit Allradantrieb. Als Systemleistung werden 500 kW/680 PS angegeben. AMG ist stolz darauf, dass der Verbrennungsmotor weltweit derzeit der stärkste 4-Zylinder-Motor mit einer Literleistung von 176 kW/238PS ist.
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Das erkleckliche Gewicht von über 2 Tonnen ist nun nahezu perfekt 50:50 auf Vorder- und Hinterachse verteilt. Denn der Vierzylinder ist 56 Kilogramm leichter als der bisherige V8, und die 89 Kilogramm schwere Batterie ist auf der Hinterachse positioniert. Das Hybridsystem wiegt in Summe rund 250 Kilogramm; die Akkus wurden bei AMG selbst entwickelt und werden dort auch gebaut.
Was den AMG-Ansatz von anderen Plug-In-Hybriden unterscheidet: Große Reichweite ist hier nicht das Ziel, und so sind auch nur rund 13 Kilometer rein elektrischen Fahrens möglich. Vielmehr soll auch bei wiederholtem Einsatz möglichst konsistent die volle Akku-Leistung abrufbar sein. Mit einem elektrischen Turbo soll das „Turboloch“ vermieden werden, der E-Antrieb für maximalen Antritt vom Stand aus sorgen. Damit der Sound authentisch bleibt, ist an der Abgasanlage ein Mikrofon verbaut, das die tatsächlichen Auspuffgeräusche in den Innenraumlautsprecher spielt.
Soviel zur Technik. Aber wie fühlt sich das an? AMG hat zu Testfahrten ins spanische Malaga eingeladen; nachdem man in Deutschland schon Winterreifen benötigt, kann man hier noch mit Sportbereifung fahren.
Schon der erste Eindruck passt: Ich nehme im neuen Performance-Sitz Platz, und es stellt sich umgehend Sportwagen-Feeling ein. Bequem, aber vor allem griffig, passgenau. Im Innenraum wird nicht gegeizt mit edlen Materialien: Leder, Aluminium, Kohlefaser. Der große Mittelbildschirm bietet viel Platz für Informationen und Bedienung, das Head-Up-Display rundet die permanente Datenpräsentation ab.
Wir fahren im Comfort-Modus los, vollelektrisch. Der Antritt ist erstaunlich druckvoll, aber nicht so spontan, wie ich es erwartet hätte – das liegt sicher an den Modus-Einstellungen. Dann schaltet sich der Verbrenner auf: Der Klang ist warm und sportlich, aber eben unverkennbar Vierzylinder, nochmals betont durch die Lautsprecher in der Hutablage. Die ehemals tiefe und sonore Achtzylinder-Geräuschkulisse, eigentlich das Markenzeichen von AMG, wird vermisst.
Die Motorsportgene sind dennoch deutlich spürbar, auch und gerade auf der Rennstrecke. Auch durch die serienmäßige mitlenkende Hinterachse fühlt sich der neue C 63 sehr agil an. Die Beschleunigung von 0 auf 100 km/h dauert nur 3,4 Sekunden: Eindrucksvoll. Und dank Allradantrieb und optimaler Gewichtsverteilung ist das Fahren deutlich einfacher und entspannter geworden. Die Boost-Anzeige kündigt durch Blinken an, dass man 10 Sekunden lang Vollast geben kann. Danach blinkt es wieder. Der Übergang in den Grenzbereich ist berechenbar, elektronisch weich geregelt, leichtes Übersteuern wird toleriert. Das Auto ist deutlich weniger brutal und leichter zu fahren.
Und es gibt auch ein wenig Videospiel-Appeal: Derzeit sind 20 Rennstrecken einprogrammiert, auf denen per GPS-Daten Rundenzeiten erfasst werden und Vollast-Empfehlungen erteilt werden. In Kürze sollen es 70 Rennstrecken sein. Den Kunden wird das entgegenkommen. Aber ob sie sich vom Vierzylinder so begeistern lassen wie bisher vom V8, bleibt abzuwarten. (aum/mkn)
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