Die Messlatte liegt hoch. Wie hoch, ist aber nicht nur eine Frage der Motorleistung. Das Design ist nicht weniger bedeutend. Da hat AMG sich für eine Linie entschieden, die an die eindrucksvolle Tradition alter englischer und italienischer Karosserie-Gurus anschließt und dennoch die Verwandtschaft zum 300 SL und zum SLS erkennen lässt. Das Gesicht des GT mit seinen großen Lufteinlässen, den LED-Scheinwerfern und dem steil stehenden, dreidimensionalen Diamant-Kühlergrill fordert zum Nachspüren der Form mit der Hand und nicht nur mit den Augen heraus. Mit dieser Form setzt sich der GT deutlich vom 911er und vom Audi R8 ab, weniger vom Jaguar F-Type. Der GT ist eine Schönheit, die sich mit ihrem puristischen Ansatz mit dem F-Type von Ian Cullum messen kann. Im Innenraum feiert Mercedes-AMG den neuen Achtzylinder-V-Motor mit einer starken Mittelkonsole, die mit jeweils vier Reglern links und rechts die acht Zylindern „spiegeln“. Insgesamt ist AMG mit diesem Interieur ein Ambiente gelungen, das die aktuelle Innenraumlinie des Konzerns zu sportiven Höhen treibt. Hier verbinden sich Leistung und Ästhetik zu einem beeindruckenden Bild. Dieses sehr aufregende Ambiente erschließt sich einem aber erst voll, wenn man in dem recht engen Greenhouse in das Etui zwischen Schweller und Mittelkonsole in den Sportsitze geglitten ist. Die Sitzeinstellung passt für norddeutsche Sitzriesen im GT besser als im SLS. Natürlich ist alles gut ables- und bedienbar. Und auch das Touchpad als Handauflage für den Dreh-Drück-Steller des Infotainmentsystems liegt dort, wo man es intuitiv vermutet. Nur der Wählhebel für das Automatikgetriebe erfordert Aufmerksamkeit, weil er hinten auf der Mittelkonsole platziert wurde. Der GT ist ein Zweisitzer. Nicht einmal für eine Aktentasche, geschweige denn Kinder oder kleine Erwachsene ist hinter den Rückenlehnen Platz. Dafür bietet er unter der großen Heckklappe mit 350 Litern einen Kofferraum, der eher für den Kurzurlaub als für den Wochenendeinkauf gedacht zu sein scheint. Das spricht nicht gegen seine Alltagstauglichkeit. Mit drei Fahrprogrammen (Comfort, Sport, Sport plus) und der vierten Stellung „Race“ beim AMG-Ride-Control-Sportfahrwerk sowie der Möglichkeit, das Fahrzeug individuell abzustimmen, bietet der der GT ein extrem breites Spektrum an Charaktereigenschaften. Der neue Vier-Liter-Achtzylinder benimmt sich entsprechend: Vom sanften Schnurren bis hin zum beeindruckenden Acht-Zylinder-Sound samt der beliebten lauten Hinweise aufs Runterschalten. Der Vier-Liter-Motor brüllt allerdings nicht mehr ganz so eindruckvoll wie der im SLS, aber immer noch so attraktiv, dass es zu einem Stammtischthema werden wird: Was ist attraktiver – das Kreischen des Sechszylinders oder die GT-Geräuschkulisse? Der Biturbo-Motor entwickelt seine Leistung spontan. Mit seinen maximal 650 Newtonmetern Drehmoment lässt er schon bei unserem ersten Kontakt keinen Zweifel daran zu, dass die angegebene Zeit von 3,8 Sekunden für den Spurt von 0 auf 100 km/h realistisch ist. Mit dem Einbau des Motors hinter der Vorderachse und dem Getriebe an der Hinterachse erreicht der GT eine Verteilung der Achslasten auf 47 Prozent vorn und 53 Prozent hinten, was seiner Agilität zugutekommt. Trotz seines Gewichts von rund 1600 Kilogramm fühlt er sich leichtfüßig an. Auf dem Rennkurs von Laguna Seca bewies er uns dann auch, welch hohes Maß an Querbeschleunigung er verträgt und wie extrem gut die aufpreispflichtigen Keramikbremsen ihr Fach verstehen. Die Voraussetzungen sind günstig, dass der GT sich in der Premium-League nicht nur behaupten, sondern auch durchsetzen kann. Nach den ersten Runden mit dem GT S wundert es niemanden, wie optimistisch bis euphorisch Moers über das Auto spricht. Und die Fachleute um den Altmeister Bernd Schneider herum ließen erkennen, der GT werde in der GT3-Rennserie erfolgreicher als der SLS agieren können. (ampnet/Sm)
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