Mit dem SLS spielte Mercedes AMG in der Preisklasse von 200 000 Euro und damit in der Liga von Ferrari oder Lamborghini. Mit den 115 430 Euro, die der GT nunmehr mindestens kostet, geht es ohne Wenn und Aber gegen den Elfer. Der potentere GT S mit 375 kW / 510 PS für 138 351 Euro zielt auf den Carrera Turbo. Der bietet zwar zehn PS mehr, kostet aber auch wenigstens 165 149 Euro.
Gegen den Allradler mit Heck-Boxer setzt der Mercedes die klassischen Tugenden im Autobau. Unter der eindrucksvollen Haube kauert ein V8-Benziner mit vier Litern Hubraum. Im Geiste optimaler Gewichtsverteilung ist er hinter der Vorderachse eingebaut. Zwangsbeatmet durch zwei Turbolader und von einem einzigen Meister seines Fachs Teil für Teil von Hand zusammengefügt, was eine signierte Plakette auf der Motorabdeckung belegt, entsendet das Leichtmetalltriebwerk seine Kraft ausschließlich via Doppelkupplungsgetriebe an die Hinterachse. Mit seinen gut viereinhalb Metern Länge trägt der AMG optisch äußerlich kaum auf. Wohltuend registriert der Betrachter zudem das Beharren der Designer auf klare zeitlose Linien, die sich dem Zeitgeist des Hauses mit vielen ausschweifenden Linien, Kanten, Sicken und Bögen in Mercedes-Blechkleidern wacker widersetzen. Lange Haube, knapp geschnittener Fahrgastraum für Zwei und eine flach abfallende Dachlinie, die das Heck bis auf Höhe des Stoßfängers streckt, haben sich als Grundform für einen Sportwagen, vor allem wenn sich mit den Buchstaben GT schmückt, vortrefflich bewährt. Innen wartet der AMG mit einem konsequent sportlichen Ambiente auf, freilich mit deutlicher Absage an alles Spartanische. Klima, elektrische Helferlein für die Bedienung, und Edel-Soundanlage rüsten den GT bis knapp 1600 Kilogramm auf. Knapp unterhalb der Moppelgrenze für einen echten Sportwagen. Die Sportsitze sind ohne Fehl und Tadel, die Sitzposition passt sich den unterschiedlichsten Abbildungen menschlichen Körperbaus wie eine Maßanfertigung an. Nach dem Platznehmen offenbart sich ein erstaunlicher Effekt. Der von außen so kompakt wirkende Sportwagen wirkt von innen gerade zu mächtig. Der Druck auf den Startknopf eröffnet eine Klangwelt, die für Schwabenpfeile bislang vollkommen unbekannt war. Was die acht Töpfe da schon im Stand akustisch emittieren und bereits mit leichten Drücken aufs Gaspedal intonieren, geht sofort unter die Haut. Das grummelt, ballert, bollert, dass es eine Freude ist und jeden berührt, dessen Benzingehalt im Blut die Promillegrenze für Alkohol wenigsten um einen Tick überbietet. Was sich fahrdynamisch anspielt, wenn die Zügel die 510 Pferden schießen lassen verdient sich ausschweifende Elegien in manieriertestem Texter-Sprech. Und nichts, aber auch gar nichts wäre übertrieben. Belassen wir es also bei einem knappen „atemberaubend“. Dieses Attribut passt ebenso angemessen auf das Beschleunigungserlebnis, wenn der AMG in weniger als vier Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 schnalzt, wie auf die Querkräfte, die sich in Kurven aufbauen oder die Verzögerung durch die Bremsanlage, die in dieser Klasse gerne karbonisiert sein darf. Je verlockender sich der Mercedes-AMG beim Ausloten seiner dynamischen Fähigkeiten gebärdet, desto deutlicher offenbart er auch die grundsätzliche Schwäche, die einem Auto dieser Kategorie grundsätzlich anhaftet. Seine praktischen Möglichkeiten haben sich von der Wirklichkeit des Straßenverkehrs so weit entfernt wie der Taliban vom Tabledance. Ohne eine eigene Nürburgring-Nordschleife ist dieses Auto Im Alltag so deplatziert wie ein Eisbär im Streichelzoo.
Aber eigentlich ist der Mercedes-AMG GT S unvergleichlich. Und das ist als aufrichtiges Kompliment gemeint. (ampnet/tl)
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