Parallelen bieten sich einige an, nicht nur die Flügeltüren, die beim Nachfolger der Legende allerdings nicht nach oben, sondern nach vorn schwingen. Da sind die Bremsen, die nach einem kräftigen Tritt verlangen, wenn man die mehr als 2000 Brems-PS spüren will oder die Lenkung, die sportlich direkt und genau ihren Dienst versieht. Dies ist kein Allerweltsauto, in das man sich einfach hinsetzen und sich wohlfühlen kann. Mercedes und McLaren wollten eine Ikone schaffen, ein Auto, das man sich erobern muss, um es zu lieben. Der SLR an sich und auch der Roadster im Besonderen leben von einem spröden und schamlosen Charme, der seine Liebhaber deutlich von den Fahrern anderer Sport-Boliden abhebt. Die Distanz zum normalen Autofahrer liegt also nicht nur in den rund 500'000 Euro begründet, um über den breiten Schweller in die tiefen Sportsitze seines eigenen SLR rutschen zu können. Auch bei den Reichen dieser Welt scheiden sich am SLR die Geister. Das beginnt beim Design mit der hyperlangen Schnauze, dem Bug mit seiner Spitze als Zitat des McLaren Formel 1-Renners, den grossen seitlichen Kiemen, die den Abgastrakt kühlen, den beiden schon vor den Türen austretenden Auspuffendrohren, dem konsequent durchgeformten Heck mit Diffusor. Hier steht ein Sportwagen, der allen zeigt, dass er Zurückhaltung nicht nötig hat. Bei der Präsentation des Roadsters konnten wir etwas über seine Käufer lernen: Ein Drittel sind Sammler, ein Drittel nutzt ihn auch im Alltag und ein weiteres Drittel fährt damit Privatrennen, irgendwo in mondänem Umfeld. Mercedes-Benz spricht nicht über seine Kunden, nur so viel war zu hören: Der beste Kunde besitzt schon fünf Coupés - eines an der amerikanischen Westküste, eines an der Ostküste, eines am Mittelmeer und zwei fahren die Kinder. Jetzt, da es den Roadster gibt, wird der Mann sicher ins Grübeln geraten, wie viele er noch braucht. Es wird sich bald entscheiden müssen, denn insgesamt werden von Coupé und Roadster nur 3500 Stück gebaut werden. Nicht nur Charakter, Preis und Stückzahl lassen ein Auto zur Ikone werden. Dazu gehört auch exklusive Technik. Der SLR-Fahrer sitzt in einem Karbon-Monocoque, das auch ohne das sonst stabilisierende Dach dem Roadster eine bisher unerreichte Steifigkeit bringt. Karbon schützt auch im Falle eines Unfalls. Soweit muss es ja nicht kommen, weil das hervorragende Doppelquerlenker-Fahrwerk - ebenfalls à la Formel 1 gebaut - und die grossen Keramikbremsen einiges beherrschen, an selbst andere Sportwagen glatt scheitern würden. Das volle Roadster-Erlebnis verschafft einem der Achtzylinder-Kompressormotor von AMG erst, wenn man seine 626 PS (780 Nm) zum Spurt auffordert und nach 3,8 Sekunden schon die 100-km/h-Marke durchfliegt. Vorher, nach dem Drücken auf den Starterknopf, erlebt der Fahrer eine Überraschung. Der Motor läuft im tiefen Bass, als seien noch nicht alle Zylinder aufgewacht. Dann geht es über einen kräftigen Bariton in die höheren Drehzahlen, bis der Tenor des Kompressors die Melodie zu einem Crecendo mit Obertönen vervollständigt. Das klingt nicht elegant. Hier bekennt sich ein Motor zu brachialer Gewalt. Dennoch zählt er beim Verbrauch eher zu den Zurückhaltenden in seiner Klasse. 14,5 Liter soll er nach der EU-Norm auf 100 km verköstigen. Mehr als 330 km/h soll die Spitzengeschwindigkeit betragen. Wir brachten es "nur" auf gut 260 km/h und sahen mit Staunen, wie ungerührt das intelligent verstärkte textile Faltdach diese Geschwindigkeit bewältigt. Da beult sich nichts auf im Unterdruck über dem SLR. Diese Fahrmaschine gebietet Respekt, obwohl sie auch ganz unspektakulär bei 30 km/h Alltagstauglichkeit unter Beweis stellt. So träumt man von ein paar Runden völlig losgelöst auf einer Rennstrecke.
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