Die 26 Jahre alte Tochter des Industriellen Hugo Stinnes gilt zu dem Zeitpunkt als die erfolgreichste Rennfahrerin Europas: Mit 24 Jahren nimmt sie zum ersten Mal an einem Autorennen teil und kann bis 1927 immerhin 17 Rennsiege feiern. Die Frau, die eigenen Worten zufolge seit sie zurückdenken kann "nie frei von dem Wunsch nach Abenteuern war", will immer Richtung Osten fahren und so die Welt umrunden, um diese aus eigener Anschauung kennen zu lernen. "In mir lag das Drängen nach dem grossen Unbekannten, dem man in den unendlichen Steppen, in den schneeverwehten Urwäldern und in der hehren Einsamkeit der Berge näher zu sein glaubt", schreibt Clärenore Stinnes in ihrem Buch "Im Auto durch zwei Welten" und das "trotz aller Mühe, die meine Mutter anwandte, um in mir die Liebe zu fraulichen Arbeiten zu wecken". Und einer Umwelt zum Trotz, die einer Frau das Wagnis vermutlich ohnehin nicht zugetraut hätte: "Sie trägt Hosen, ist klein und niedlich, wirkt wie eine Studentin, raucht in einem fort Zigaretten, und sie lacht gern und viel", schreibt ein Journalist über die Autonärrin. Die Strecke führt zunächst über Damaskus bis Teheran, dann nach Norden in Richtung Moskau und von dort aus durch Russland nach Osten, quer durch Sibirien und die Wüste Gobi nach Peking. Vom asiatischen Festland folgen Schiffspassagen nach Japan und Hawaii, danach die Fahrt durch Mittelamerika und Südamerika bis nach Buenos Aires und wieder zurück nach Vancouver. Quer durch Nordamerika geht es dann von New York mit dem Dampfer nach Le Havre und über Paris und den Rhein nach Berlin. Weil die nicht mit dem Auto gefahrenen Transferkilometer nicht zählen, soll der Kilometerzähler am Ziel eine Zahl zeigen, die mindestens dem Erdumfang entspricht, so die Vorgabe; deshalb verordnet Clärenore Stinnes diesen Zickzackkurs. Am 24. Juni 1929 um 12 Uhr mittags steuert das Team nach zwei Jahren und einem Monat ihre mit Lorbeer geschmückten Autos in das Ziel auf der Avus in Berlin. Inklusive der obligatorischen Ehrenrunde ist der Adler Standard damit exakt 46'758 Kilometer gefahren. Das einzige Besondere an dem Adler Standard ist im Übrigen, dass er kein bisschen besonders ist: Gegenüber den anderen Autos der Serie hat er lediglich eingebaute Liegesitze als Extra für die Pioniertat.
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