März 1953. Der Vorstand der Daimler-Benz AG kommt in Stuttgart zu einer Routinesitzung zusammen. Als die Rede auf das Motorsportengagement kommt, folgt eine Diskussion, in welcher Weise es sinnvoll für das Unternehmen ist und ob man damit den Export-Verkauf ankurbeln kann. Es fällt die Entscheidung: Mercedes-Benz wird im folgenden Jahr wieder im Grand-Prix-Sport dabei sein. Es bleibt den Strategen und Technikern gerade mal ein Jahr, um einen konkurrenzfähigen Rennwagen auf die Räder zu stellen. Er trägt das interne Kürzel W 196 R und ist eine totale Neukonstruktion, denn zuviel hat sich seit den früheren Grand-Prix-Aktivitäten in der Fahrzeugtechnik und beim Reglement geändert. Beispielsweise tritt zur Saison 1954 die Regel in Kraft, dass nur noch Fahrzeuge mit einem 2,5-Liter-Saugmotor oder einem 750-Kubikzentimeter-Kompressoraggregat zugelassen sind. Daimler-Benz entscheidet zugunsten des Saugmotors, denn er verspricht schon bei niedrigen Touren Leistung, Drehmoment und insgesamt ein breites nutzbares Drehzahlband, zudem ist er verbrauchsgünstiger. Und man entschliesst sich für einen Achtzylinder-Reihenmotor, der aus zwei Vierzylinderblöcken mit zentralem Kraftabtrieb aufgebaut ist. Er wird nach rechts geneigt eingebaut, um den Schwerpunkt des Autos zu senken. Zunächst werden vier Weber-Doppelvergaser montiert, doch der Einsatz einer mechanischen Direkteinspritzung von Bosch, die für eine höhere Leistung und bessere Treibstoffökonomie sorgt, steht bereits fest; sie wird jedoch erst kurz vor dem ersten Rennen bereit sein. Eine Besonderheit stellt die Ventilsteuerung dar: Statt sich auf Federkraft zu verlassen und um bei den hohen Drehzahlen eine sichere Funktion zu gewährleisten, werden die Atemöffnungen per Kipphebel nicht nur geöffnet, sondern auch wieder (zwangs-) geschlossen (desmodromisch). All diese Zutaten sorgen für eine gleichmässige Leistungsentfaltung über den gesamten Drehzahlbereich und machen den Motor sehr robust. Der Motor leistet zunächst 257 PS bei 8250/min, später werden bis zu 290 PS herausgeholt. Im 300 SL Rennsportwagen der Saison 1952 hat man bereits sehr positive Erfahrungen mit dem Gitterrohrrahmen gesammelt, dessen Stäbe im Wesentlichen nur auf Zug und Druck beansprucht werden - also wird der W 196 R ihn auch haben. Er verbindet höchste Stabilität mit geringem Gewicht, der fertige Rahmen wiegt nur 36 Kilogramm. Das Fahrwerk ist ebenfalls aufwendig und entspricht mit Doppel-Querlenkern und Eingelenk-Pendelachse mit tief gelegtem Drehpunkt dem neuesten Stand der Technik. Für grosse Überraschung wird die Karosserie der in Reims startenden W 196 R sorgen: Die Autos sind vollständig in eine Stromlinien-Karosserie aus extrem leichtem Magnesium gekleidet, die auch die Räder vollständig abdeckt. Eine Lücke im Reglement macht’s möglich. Die Startflagge senkt sich pünktlich um 14.45 Uhr. Die Wagen sausen los. Ascari fällt bereits in der ersten Runde mit Motorschaden aus. Gonzalez und Hawthorn liegen nun hinter Fangio (Startnummer 18) und Kling (Startnummer 20). Hans Herrmann (Startnummer 22) verschärft das Tempo, schiebt sich nach vorn. Nach sieben Runden hat er Hawthorn hinter sich gelassen, nach elf ist er auch am Argentinier vorbei. Dabei fährt er sogar noch Rundenrekord - 2:32,9 Minuten gleich 195,463 km/h. Nun liegen alle drei W 196 R in Führung. Das Feld ist bereits weit auseinander gezogen. Gonzalez greift wieder an und erobert den dritten Platz zurück. Doch nur wenige Kilometer später bleibt das Auto in einer Rauchwolke stehen – Motorschaden. Hawthorn ist schon vorher ausgeschieden. Und ganz vorn kreisen drei silberne Mercedes-Benz. Nach der 36. Runde ist das Feld auf sieben Fahrzeuge geschrumpft. Nur Fangio und Kling drehen munter und gleichmässig ihre Runden. Die sechzigste Runde ist zu fahren - und Karl Kling hat gewonnen! 15 Meter Abstand zu Fangio! Doch die 500 Kilometer sind noch nicht voll. Fangio und Kling drehen eine weitere Runde und Fangio siegt.
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