In den Konstruktionsbüros der Daimler Motoren Gesellschaft nahm Anfang der Zwanziger der Fortschritt in Form des Kompressor-Motors ernsthaft Gestalt an. Gottlieb Daimlers Sohn Paul, seit Wilhelm Maybachs Austritt aus der DMG 1907 technischer Direktor und nun auch Vorstandsmitglied, trieb dessen Entwicklung stetig voran. Erfahrungen mit der mechanischen Aufladung gab es reichlich, Flugmotoren und U-Boot-Aggregaten wurden bereits mit Hilfe von Kompressoren mehr Leistung abverlangt.
Targa Florio 1922: Erster Einsatz der Kompressor-Motoren
Seit 1922 galt eine 1,5-Liter- und eine 2,0-Liter-Hubraumformel. Paul Daimler entwickelte hierfür einen völlig neuen 1,5-Liter-Vierzylinder mit Kompressor-Aufladung, deren von einer Königswelle angetriebenen zwei obenliegenden Nockenwellen vier Ventile pro Zylinder steuerten. Seinen ersten Renneinsatz hatte das 6/40/65 PS genannte Fahrzeug bei der Targa Florio in Sizilien. Werksfahrer Paul Scheef startete in der 1,5-Liter-Serienklasse und kam auf einen achtbaren dritten Rang. Mit einem weiteren Kompressor-Wagen, der mit einem 140 PS starken Motor ausgerüstet war, fuhr Max Sailer in der Serienklasse über 4,5 Liter Hubraum prompt den allerersten Sieg eines Kompressor-Wagens heraus. Das enorme Potenzial der aufgeladenen Mercedes-Motoren begann sich in der Rennsport-Szene herumzusprechen und animierte zahlreiche andere Hersteller, auf diese vielversprechende Antriebs-Technologie umzuschwenken.
1923: Benz-Tropfenwagen mit Mittelmotor
Parallel entstand zu dieser Zeit bei Benz in Mannheim ein spektakuläres, ja revolutionäres Automobil: der Tropfenwagen. Neben der konsequent aerodynamischen Linienführung war es die Motoranordnung hinter dem Fahrer, die für Aufsehen sorgte. Technisch und stilistisch orientierte sich der neue Benz-Rennwagen klar am berühmten Rumpler-Tropfenwagen. Einen Sieg gleich beim ersten Renneinsatz im September 1923 in Monza konnte niemand erwarten, doch der vierte Platz von Fernando Minoia sowie der Ehrenpreis für den außergewöhnlichsten Rennwagen im Fahrerfeld waren ohne Zweifel beachtliche Erfolge. Dass dieses interessante Fahrzeug in dieser Form nicht weiter an Rennen teilnahm, lag zum einen an der Wirtschaftskrise in Deutschland und zum anderen an der im Mai 1924 beginnenden Zusammenarbeit von Benz & Cie., und der Daimler-Motoren-Gesellschaft. Die Rennaktivitäten bis zur Fusion wurden nun überwiegend von der DMG initiiert.
1924: Erster Auftritt der Achtzylinder-Kompressor-Mercedes-Rennwagen
Wieder war es der Grosse Preis von Italien in Monza, bei dem ein neues Rennfahrzeug aus Stuttgart für Aufsehen sorgte. Die weiss lackierten Zweiliter-Grand-Prix-Wagen zogen durch ihre grimmig dreinblickende Kühlergestaltung alle Blicke auf sich, hinter dem senkrecht platzierten Kühler arbeitete ein völlig neu konstruierter Kompressor-Achtzylinder mit 170 PS Leistung. Das Triebwerk hatte Ferdinand Porsche entwickelt, der von Austro-Daimler als Technischer Direktor zur DMG gekommen war. Ihm folgte Alfred Neubauer, der den Achtzylinder-Mercedes-Benz in Monza als einer von vier Fahrern pilotierte und später zur Rennleiter-Legende bei Daimler-Benz werden sollte. Monza war für den neuen Wagen indes kein gutes Pflaster. Das kaum getestete Fahrzeug war 1924 noch nicht reif für einen Sieg. Aber zwei Jahre später gelang dem Achtzylinder-Kompressor-Mercedes-Benz jedoch ein bedeutender Sieg beim ersten GP von Deutschland auf der Berliner AVUS. Dem damals 25-jährigen Rudolf Caracciola gelang mit seinem Copilot Eugen Salzer nicht nur ein hart erkämpfter Triumph, sondern auch noch die bisher für schier unmöglich gehaltene Durchschnittsgeschwindigkeit von 135 km/h.
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