Die 1597 Kilometer lange Route der Mille Miglia führt von Brescia über Padua, Ferrara und Pescara nach Rom, zurück geht es über Florenz, die Pässe Futa und Raticosa, Bologna und Piacenza zum Startort. Als ein Favorit auf den Titel gilt 1955 vor allem Juan Manuel Fangio. Er wäre der erste Ausländer nach Rudolf Caracciola, der die Tausend Meilen von Brescia gewinnt: Caracciola hat das Rennen 1931 auf Mercedes-Benz SSKL für sich entschieden. Auf der Etappe nach Rom fahren die vier Rennsportwagen mit Stern auf der Motorhaube auf die Plätze eins bis vier. Doch an der Spitze des Feldes liegt nicht Fangio, sondern der junge Brite Stirling Moss mit seinem Beifahrer Denis Jenkinson. Neubauer nimmt die Position für ein böses Omen: „Es ist eine alte Regel, eine Art Bannfluch, der über diesem Rennen lastet: Noch nie konnte ein Fahrer, der in Rom die Spitze hielt, die Tausend Meilen gewinnen. Ich sehe schwarz für Moss.“ Karl Kling fällt kurz nach Rom durch einen Unfall aus, Hans Herrmann und Hermann Eger werden von einem Defekt des Tankstutzens aus dem Rennen geworfen. Stirling Moss jagt weiter über den Apennin und durch die Bassa, holt den Gran Premio Nuvolari für die schnellste Fahrt zwischen Cremona und Brescia und gewinnt schließlich mit der besten Zeit, die je bei der Mille Miglia erzielt worden ist. Nur zehn Stunden, sieben Minuten und 48 Sekunden braucht Moss, das entspricht einem Durchschnittstempo von 157,65 km/h. Der eindrucksvolle Sieg ist mehreren Faktoren zu verdanken: Dem fahrerischen Können von Stirling Moss, der Strategie Alfred Neubauers mit einer ausgefeilten Planung der Treibstoffversorgung, dem ausgiebigen Training, dem ausgetüftelten Roadbook Jenkinsons und den überragenden Mercedes-Benz 300 SLR, die bei ihrer Premiere in Italien den Anspruch auf die Spitzenposition unter den Rennsportwagen der laufenden Meisterschaft kraftvoll unterstreichen. Neben dem Gesamtssieg holt Mercedes-Benz bei diesem Rennen auch die Klassentitel der GT-Fahrzeuge über 1300 Kubikzentimeter Hubraum mit drei 300 SL und den Sieg in der Dieselklasse mit drei Mercedes-Benz 180 D.
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