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Motorsport: Heritage

Sonntag, 16. Mai 2010 Mercedes-Benz 300 SL: Eine Ikone mit Rennsportgenen

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Rallye Lüttich – Rom – Lüttich 1955: Olivier Gendebien siegt auf einem Mercedes-Benz 300 SL (Baureihe W 198 I, 1954 bis 1957).Rallye Lüttich – Rom – Lüttich 1955: Olivier Gendebien siegt auf einem Mercedes-Benz 300 SL (Baureihe W 198 I, 1954 bis 1957).

Die Ära der Flügeltürer beginnt im Jahr 1952, als das Rennsport-Coupé Mercedes-Benz W 194 von Sieg zu Sieg eilt. Im Jahr 1953 kommt eine weiterentwickelte Version, deren Motor dank Benzineinspritzung gut 29 kW mehr und somit 158 kW entwickelt. Die Transaxle-Bauweise ergibt eine bessere Gewichtsverteilung und kommt der Fahrdynamik zugute. Wegen der kantigen Frontpartie erhält das innovative Einzelstück den internen Beinamen „Hobel“. Es kommt zwar nicht zum Renneinsatz, da der für 1954 geplante Formel-1-Einstieg alle Kapazitäten bindet, ist aber eine wichtige Zwischenstufe auf dem Weg zum Seriensportwagen vom Typ 300 SL.

 

Der Mercedes-Benz 300 SL (W 198) zeigt eine enge Verwandtschaft mit diesen Rennsportfahrzeugen, denn die Ingenieure leiten den Serien-Flügeltürer mit eineinhalb Jahren Abstand vom Rennsportwagen W 194 ab. Er ist der erste echte Seriensportwagen überhaupt, den Mercedes-Benz nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelt. Die Anregung dafür kommt von Maximilian Hoffman, dem Importeur für Mercedes-Benz in den Vereinigten Staaten von Amerika. Im September 1953 beginnt die Entwicklung, im Februar 1954 wird der Typ 300 SL auf der International Motor Sports Show in New York präsentiert.
Seine Orientierung am Rennsportfahrzeug zeigt das Coupé sehr deutlich. Das beginnt beim extrem leichten Gitterrohr-Rahmen und reicht bis zur Linienführung der Karosserie und den Flügeltüren. Die Türen bringen dem Wagen im angelsächsischen Sprachgebrauch die Bezeichnung „Gullwing“ (Möwenschwinge) ein. Dass der Seriensportwagen diese ungewöhnliche Einstiegslösung aus dem Rennsport übernimmt, ist jedoch kein öffentlichkeitswirksamer Design-Kniff. Vielmehr haben die am Dach angeschlagenen Türen eine konstruktive Ursache: Der aus dem Rennsport-SL übernommene Gitterrohr-Rahmen lässt den Einbau konventioneller, vorn angeschlagener Türen nicht zu.
Statt dem Reihensechszylinder-Vergasermotor M 194 mit 3 Liter Hubraum und 129 kW Leistung kommt in der Baureihe W 198 der 158 kW starke Motor M 198 mit mechanisch geregelter Direkteinspritzung zum Einsatz. Damit wird erstmals bei Mercedes-Benz ein Serienfahrzeug mit Benzineinspritzung ausgerüstet. Sie ermöglicht eine Leistungssteigerung von 29 kW gegenüber der vergaserbestückten Rennsport-Ausführung.
Der Motor ist zur Seite geneigt eingebaut, so dass ein besonders flacher und strömungsgünstiger Vorbau entsteht. Die konsequente Leichtbauweise verhilft dem Supersportwagen zu Aufsehen erregenden Fahrleistungen: Je nach Hinterachsübersetzung ist eine Höchstgeschwindigkeit von bis zu 250 km/h möglich. Das Fahrwerk entspricht dabei im Wesentlichen dem der Limousine vom Typ 300 (W 186), ist aber sportlicher abgestimmt.
Im Vergleich zum Rennsportwagen ist das Aussehen des Supersportwagens hin zu mehr Eleganz und Dynamik verfeinert. Das Design und die Konzessionen an den Komfort der Passagiere schränken die Leistungsfähigkeit des Supersportwagens allerdings nicht ein. Der Typ 300 SL führt denn auch die Motorsport-Tradition seines Namensvetters weiter und platziert sich bei zahlreichen Veranstaltungen ganz vorn im Feld – unter anderem holt er den Klassensieg auf der Mille Miglia 1955, und im gleichen Jahr siegen Olivier Gendebien und Pierre Stasse auf einem Mercedes-Benz 300 SL bei der Rallye Lüttich – Rom – Lüttich.
Und er verhilft drei Fahrern in Europa und in den USA zum Meistertitel: Werner Engel gewinnt 1955 die Europameisterschaft der Tourenwagen, Walter Schock holt den Titel 1956. In den USA gewinnt Paul O’Shea 1955 und 1956 auf dem Typ 300 SL die amerikanische Sportwagenmeisterschaft in der Kategorie D mit deutlichem Vorsprung vor der Konkurrenz.
Von August 1954 bis Mai 1957 entstehen in Sindelfingen 1400 Exemplare des Mercedes-Benz 300 SL. Davon haben 29 Stück einen Leichtmetall-Aufbau, und ein Versuchsfahrzeug trägt sogar eine Kunststoff-Karosserie.
Im Jahr 1955 baut das Unternehmen außerdem zwei Coupés des Rennsportwagens Mercedes-Benz 300 SLR (W 196 R). Sie sind gezielt für Langstreckenrennen konzipiert, um dem Fahrer etwas mehr Komfort als bei der offenen Ausführung zu bieten. Äußerlich hat das Fahrzeug Ähnlichkeit mit dem Typ 300 SL, doch unter dem Blech befindet sich reinrassige Formel-1-Technik. In Kundenhand gelangt jedoch kein Exemplar. Mindestens einen Glücklichen sieht der Mercedes-Benz 300 SLR jedoch: seinen Konstrukteur Rudolf Uhlenhaut. Denn da 1955 die sechste Carrera Panamericana, bei der das Coupé erstmals eingesetzt werden soll, abgesagt wird und sich die Daimler-Benz AG zudem mit Ende der Saison aus dem Rennsport zurückzieht, darf er es auf Dienstfahrten bewegen, was er gern, weit und ausgiebig tut.

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