Dienstag, 17. Dezember 2013 Porsche in Le Mans – Die Helden der ersten Stunde
Foto:Auto-Medienportal.Net/Porsche
Am 14. Juni 2014 kehrt Porsche auf die Rennstrecke zurück, die die Schwaben ganz ohne landestypische Bescheidenheit als „ihr Wohnzimmer“ bezeichnen. Die Stuttgarter treten erstmals seit 1998 wieder offiziell mit einem Werksteam in der Klasse LMP 1 bei den „24 Stunden von Le Mans“ an, um gegen Audi und Toyota um den Gesamtsieg zu fahren. Kein anderer Hersteller war bislang in Le Mans so erfolgreich. 1970 holten Hans Herrmann und Richard Attwood den ersten von 16 Gesamtsiegen. Die beiden erinnern sich noch heute gerne an ihren historischen Sieg. Die Bilanz der Schwaben beim französischen Langstreckenklassiker, der jährlich im Juni um einen rund 13,5 Kilometer langen Kurs führt, ist in der Tat beeindruckend. Neben den 16 Gesamtsiegen archiviert die Motorsportchronik im Stuttgarter Industrievorort Zuffenhausen insgesamt 103 Klassensiege. Bis dato nahmen mehr als 800 Rennwagen der Sportwagenspezialisten an dem Rennen in den unterschiedlichsten Klassen teil.
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Schon 1951, drei Jahre nach Beginn der Autoproduktion und sechs Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs lud der französische Rennleiter Charles Faroux persönlich Porsche erstmals nach Le Mans ein. Porsche brachte ein 356 SL Coupé nach Frankreich, um in der Klasse bis ein Liter Hubraum anzutreten. Das 640 Kilo leichte Coupé benötigte nur 34 kW/46 PS Leistung, um gleich beim Einstand mit einem Schnitt von 118 km/h seine Klasse erfolgreich abzuschließen.
Doch Klassensiege waren irgendwann zu wenig. Porsche wollte mit den damals dominierenden Herstellern wie Ford oder Ferrari um die Krone fahren. Ebenfalls im Fokus lag die Weltmeisterschaft der Sportwagen, die in den Sechzigern des letzten Jahrhunderts dem Gewinner mindestens so viel Prestige eintrugen wie Titel in der Formel 1. Aus der Königsklasse war Porsche 1962 aus Kostengründen nach nur einem Sieg ausgestiegen. Eine Erweiterung des Hubraums von drei auf fünf Liter für Sport-Prototypen und die Reduzierung der Homologationsserie von 50 auf 25 Exemplare, waren in den Augen der Stuttgarter Rahmenbedingungen, die das Abenteuer Le Mans und Sportwagen-Weltmeisterschaft in den Rahmen des finanziell Machbaren rückten. Trotzdem blieb für den damals noch kleinen Sportwagenproduzenten ein enormes Risiko. Es war nicht abzusehen, was die Entwicklung des Autos tatsächlich kosten würde. Und ob sich genügend Kunden finden ließen, die Autos aus der Kleinserie kauften.
Der 1968 gerade 31jährige Ferdinand Piech ging das Projekt als Leiter der Entwicklungsabteilung bei Porsche beherzt mit einem radikalen Konzept an. Der erste 917, der 1969 auf die Piste kam, war gerade 3,96 Meter lang und nur einen knappen Meter hoch. Über den Gitterrohrrahmen des 730 Kilo schweren Boliden spannte sich eine Karosserie aus gerade 1,2 Millimeter dickem glasfaserverstärktem Kunststoff. Nur Türen und Hauben waren mit Aluminium verstärkt. Ungewöhnlich für einen Porsche, dass im Heck nicht das Herz eines Boxers schlug, sondern ein V12 mit 180 Grad Gabelwinkel. Dabei teilten sich die Pleuel von zwei gegenüberliegenden Kolben eine Kröpfung der Kurbelwelle. Bei Boxermotoren hat grundsätzlich jedes Pleuel über eine eigene Kröpfung.
Der V12 des 917 verfügte über 4,5 Liter Hubraum, verchromte Zylinderlaufbuchsen, Titan-Pleuel und zwei Zündkerzen mit Platin-Dioden pro Brennraum. Die Ausgangsleistung betrug 383 kW/520 PS bei 8 000/min. Das maximale Drehmoment von 46 Newtonmeter stand ab 6 800/min bereit. Das Gebläse der Luftkühlung lieferte bei Nenndrehzahl von 8 400/min 2 400 Liter Luft pro Sekunde.
Auf die Frage nach dem Verbrauch liefert Richard Attwood eines der vielen Beispiele seines trockenen britischen Humors, die den heute 73jährigen noch immer auszeichnen: „Der Verbrauch hat mich nie interessiert. Ich musste nie für eine Tankfüllung bezahlen.“ Der zwölf Jahre ältere Hans Herrmann ergänzt pragmatisch: „Der 120-Liter-Tank reichte für gut zehn Runden. Es werden so 70 bis 80 Liter pro 100 Kilometer gewesen sein.
Dass sich in Le Mans nur zwei Fahrer am Volant abwechselten ist heute undenkbar. Das so ungleiche Duo hatte 1970 mit Problemen zu kämpfen, die aktuellen Piloten ebenfalls wie Episoden aus der Märchenstunde anmuten mussten. Die Aerodynamik des 917 basierte damals noch weniger auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, die die Sammlung aus hunderten Stunden im Windkanal komplettierte. Im Training schaffte der 917 auf den langen Geraden, die damals noch nicht von Schikanen unterbrochen waren mehr als 400 km/h. Im Rennen waren es immer noch rund 370 km/h.
Das jüngste Engagement der Schwaben für 2014 in Le Mans, rückt nun die erfolgreiche Vergangenheit in den Focus. Die Helden von 1970 sind äußerlich ein wenig älter geworden. Sie genießen sichtlich, dass sie auch heute noch gefragte Gesprächspartner sind. Und dass die größte sportliche Leistung ihres Lebens ihnen so große Wertschätzung eingetragen hat. (ampnet/tl)
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