Wie eng die aerodynamische Entwicklung des Rennwagens an sein Grundkonzept gekoppelt ist, zeigt bereits der zeitliche Ablauf. Schon bei der Konzeptfestlegung für den aktuellen Rennwagen im Sommer 2012 waren die Aerodynamiker von Audi Sport eingebunden. „Üblicherweise beginnen wir mit einem ersten groben Layout“, erklärt Jan Monchaux, Leiter Aerodynamik bei Audi Sport. „Das Motorkonzept, der Radstand und das Fahrzeugschema geben uns die wichtigsten Eckdaten vor. Dann gestalten wir eine erste aerodynamische Grundform. Im nächsten Schritt untersuchen wir dessen Leistungsfähigkeit mittels CFD-Analyse.“ Computational Fluid Dynamics (CFD), auch numerische Strömungsmechanik genannt: Diese berechnet strömungsmechanische Phänomene mit Modellgleichungen. Das erspart im ersten Stadium der Entwicklung die ungleich aufwendigeren Windkanalversuche. „Stück für Stück arbeiten wir so die Stärken des Entwurfs weiter aus und verringern mögliche Defizite“, so Jan Monchaux.
Das Ziel der Entwickler ist dabei immer das gleiche: „Um die im Reglement definierten Effizienz-Ziele zu erreichen, muss man das perfekte Verhältnis zwischen Luftwiderstand und Abtrieb finden“, so Dr. Martin Mühlmeier, Leiter Technik bei Audi Sport. „Durch vielfache Simulationen versuchen wir noch vor dem ersten Test zu klären, ob das Auto genügend Abtrieb erzeugt, um die gewünschten Kurvengeschwindigkeiten zu erreichen. Zugleich darf dabei nicht zu viel Luftwiderstand entstehen, denn auch auf den Geraden müssen wir schnell sein. Eine weitere Herausforderung aufgrund des neuen Reglements 2014 besteht darin, die Aerodynamik so auszulegen, dass die Verbrauchsvorgaben optimal erfüllt werden.“
Eine spezielle Herausforderung ist die ungewöhnliche Streckencharakteristik von Le Mans. Der Kurs in Westfrankreich erlaubt mit seinen langen Geraden und vielen Hochgeschwindigkeitskurven extreme Werte. Audi-Werksfahrer André Lotterer erreichte vor einem Jahr auf der schnellsten Rennrunde (3.22,746 Minuten) ein Durchschnittstempo von 242 km/h.
Aus diesem Grund hat Audi zwei Varianten entwickelt: eine Karosserie mit wenig Luftwiderstand für Le Mans und eine für die übrigen sieben WEC-Strecken, die höheren Abtrieb erfordern. Bereits auf den ersten Blick unterscheiden sich beide Karosserieversionen deutlich, wie man beim gemeinsamen Einsatz in Spa sehen konnte. „Bei den Karosseriepartien sind nahezu alle relevanten Flächen optimiert“, erklärt Jan Monchaux. An der Frontpartie fallen die geänderten Kotflügel mit Öffnungen auf den Innen- statt den Oberseiten auf. Auffällig sind die Differenzen am Heck: Die Karosserie schließt nun bündig mit dem Heckflügel ab und nutzt die Maximallänge von 4.650 Millimetern voll aus. Im Gegensatz dazu hat die Variante mit hohem Abtrieb eine verkürzte Karosserie. Auch die Auspuffrohre werden anders geführt. Sie treten für Le Mans nicht mehr rechts und links der zentralen Finne aus, sondern an der Karosserieoberfläche oberhalb des Diffusors.
„Die Herausforderung, möglichst wenig Luftwiderstand zu bieten, hat sich unter dem neuen Effizienz-Reglement 2014 noch einmal verschärft“, sagt Monchaux. In der Simulation errechnet Audi einen Wert für den Luftwiderstand, der nicht überschritten werden darf, um die vom Reglement vorgegebenen Verbrauchsziele einzuhalten. Zugleich müssen für gute Kurvengeschwindigkeiten bestimmte Werte beim Abtrieb erzielt werden. „Damit müssen wir eine Punktlandung erreichen, während die Spielräume zuvor größer waren“, sagt der Aerodynamiker. In Spa waren am 3. Mai erstmals beide Karosserievarianten parallel im Einsatz. Der für Le Mans konzipierte Audi R18 e-tron quattro mit der Startnummer 3, gefahren von Filipe Albuquerque (P) und Marco Bonanomi (I), bestätigte mit seinen Messwerten die Annahmen von Audi Sport. So steuert Audi die 24 Stunden von Le Mans im Juni mit ausgeklügelter Aerodynamik an.
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