Freitag, 22. November 2019 Tesla Cybertruck: Das Rätsel der Pyramide
Tesla Cybertruck. Foto: Auto-Medienportal.Net/Tesla
Franz von Holzhausen ist ein Musterangestellter. „Könntest Du bitte versuchen, das Glas zu zerbrechen?" fragte Tesla-Chef Elon Musk seinen Chefdesigner bei der Präsentation des Tesla Cybertruck in Kalifornien. Von Holzhausen griff sich die vorbereitete Stahlkugel und vergewisserte sich noch einmal, ob sich Musk der Sache sicher sei: „Ja!"
Sprach's und durfte mitansehen, wie die vermeintlich bruchsichere vordere Seitenscheibe des jüngsten Tesla-Modells in Stücke zerbarst. Musk stieß einen kurzen Fluch aus, und von Holzhausen fragte, ob man die Übung noch einmal an der hinteren Seitenscheibe versuchen solle: „Sicher". Und so sicher wie das Amen in der Kirche zerbrach auch das hintere Fenster. Musk musste die verbleibenden zehn Minuten seiner Präsentation vor dem beschädigten Exponat bestreiten.
|
Doch es hätte dieser gründlich misslungenen Präsentation nicht einmal bedurft, um die Jünger des Tesla-Gurus in Bestürzung zu versetzen - und seine Skeptiker in Gelächter ausbrechen zu lassen. Dazu genügte bereits der erste Blick auf den Cybertruck, ein 589 cm langes, 203 cm breites und 191 cm hohes Metallobjekt, bei dessen Design das Geodreieck offenbar nicht nur als Hilfsmittel, sondern als Inspiration diente.
Der Cybertruck soll die meistverkauften Fahrzeuge der USA herausfordern – allen voran die F-Serie von Ford, einen in zahllosen Konfigurationen lieferbaren Pritschenwagen. Und Tesla sparte nicht mit kritisch-herablassenden Vergleichen: Die Latte liegt hoch.
Die vorläufigen technischen Daten des pyramidenförmigen Gefährts können sich tatsächlich sehen lassen. Die Kabine bietet bis zu sechs Sitzplätze in zwei Reihen, die Pritsche fasst 2832 Liter Frachtgut und das Fahrzeug soll bereits in der schwächsten Version 3400 Kilogramm ziehen können. Es soll drei Varianten geben: Eine Version mit Heckantrieb und einem Motor, eine Version mit Allradantrieb und zwei Motoren sowie eine Version mit drei Motoren und Allradantrieb.
Das Einstiegsmodell schafft den Spurt auf 60 Meilen bzw. 96 km/h in 6,5 Sekunden, die mittlere Variante benötigt dafür 4,5 Sekunden und das stärkste Modell nur 2,9 Sekunden. Die Spitze liegt bei 176 km/h, 192 km/h bzw. 208 km/h. Und das stärkste Modell soll mehr als sechs Tonnen an den Haken nehmen können – behauptet Tesla.
Das Interieur zeichnet sich durch eine äußerst frugale Optik aus: Neben dem eckigen Lenkrad und einem großen Zentralbildschirm befindet sich vor den vorderen Passagieren ein kantiges Brett – ohne Armaturen. Man darf sich fragen, welche Lösungen Tesla bis zum avisierten Marktstart im Herbst 2021 auf dem Hut zaubern will, um den einschlägigen Crashvorschriften im Innenraum zu genügen, und das gleiche gilt für die scharfkantige Außenhaut.
39 900 Dollar, umgerechnet rund 36 000 Euro, verlangt Tesla für die Einstiegsvariante, ein mit dem Fahrerassistenzsystem „Autopilot" ausgerüstetes Spitzenmodell kostet knapp den doppelten Betrag. Anzahlungen werden – wie bei Tesla-Präsentationen üblich – ab sofort entgegengengenommen, wobei der Betrag mit 100 Dollar ungewöhnlich niedrig angesetzt ist. Offenbar will man sich mit einer hohen Anzahl von Vorbestellungen brüsten, um Zweifeln an der Marktfähigkeit des gewöhnungsbedürftigen Modells den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Franz von Holzhausen darf sich unterdessen darüber freuen, dass seiner Vorführung in Gegenwart des Chefs so durchschlagender Erfolg beschieden war. Denn das Design, so muss man die bestürzten Spontanreaktionen in den sozialen Medien interpretieren, ist ihm gründlich danebengegangen.(ampnet/jm)
|