Mittwoch, 29. November 2006 Brilliant ist der Brilliance BS6 noch nicht ganz
Erste Fahreindrücke zeigten, dass der BS6 durchaus noch jede Menge Feinschliff vertragen kann und damit die Preise zwischen 19'000 bis 23'000 Euro das derzeit - noch - attraktivste Merkmal sind.
Auch wenn der Brilliance BS6 von den italienischen Stylingstudios Giugiaro und Pininfarina mitdesignt sowie von Porsche-Technikern in Weissach fahrwerksmässig optimiert wurde und die Führung des Autoherstellers Brilliance JinBei Automobile sich bei der Auswahl der Produktions-Anlagen und Fertigungsmethoden von BMW-Experten beraten liess - die erste chinesische Limousine, die ab Anfang nächsten Jahres in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Polen und den BeNeLux-Ländern angeboten wird, ist noch ein gutes Stück davon entfernt, europäische Ansprüche in der oberen Mittelklasse überspringen zu können.
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Äusserlich wirkt der 4,88 Meter lange Wagen durchaus elegant, wobei Anklänge an die im gleichen Werk in Shenyang vom Band rollenden BMW-Modelle durchaus zu finden sind, aber der BS6 nicht abgekupfert wirkt. Der grosse Innenraum mit gutem Gestühl und einem übersichtlichen Armaturenbrett wirkt auf den ersten Blick angenehm. Erst später fallen die nicht immer akkurate Verarbeitung und eine für diese Klasse nicht ausreichende Materialwahl auf. Überzeugend dagegen die ergonomische Anordnung der Bedienelemente. Nicht aufgepasst haben die Entwickler aber bei der Gestaltung des Kofferraums. Der verfügt zwar mit 550 Litern über ein beachtliches Volumen, durch das zu hoch liegende Reserverad ist er in der Höhe zu flach geraten. Für den Vortrieb sorgen zwei Vierzylinder-Benziner (2,0 Liter mit 122 PS und 2,4 Liter mit 130 PS) von Mitsubishi, die bei einem Drehmoment von 170 bzw. 195 Nm beide die Sportlichkeit nicht erfunden haben, aber solide ihren Dienst verrichten. Zumindest verhelfen sie dem BS6, den Spurt von Null auf 100 in 13,8 und in 12,5 Sekunden zu schaffen und die Höchstgeschwindigkeit betragen 190 bzw. 195 km/h. Im Fahrbetrieb lassen sie jedoch Durchzugskraft vermissen, so dass bei eifrigem Schalten schnell auffällt, dass das ansonsten gut abgestufte Fünfgang-Getriebe beim nächsten Facelift etwas passgenauer ausgelegt werden sollte. Die Lenkung selbst ist etwas indirekt und der Kontakt zur Fahrbahn zu schwach. Aber schon nach den ersten etwas zügiger gefahrenen Kurven merkt man ohnehin, dass der BS6 weniger die sportive Agilität, sondern mehr das Gleiten bevorzugt. Und da es kein ESP gibt, ist schon Achtsamkeit angesagt. Aber auch bei Höchstgeschwindigkeit auf der Autobahn wird es im Innenraum nicht nur recht laut, sondern das Fahrzeug auch recht instabil. Ein weitere Folge des Fahrens oberhalb der Normgeschwindigkeit ist ein satter Verbrauch von zehn Liter, ein Diesel-Motor - der für Linderung sorgen könnte - folgt erst 2008. Nachbessern heisst also die Devise. Und das gilt auch für die Sicherheits-Ausstattung. ABS, Bremskraft-Verstärker und elektronische Differenzialsperre sowie lediglich Fahrer- und Beifahrer-Airbag sind schlicht zu wenig und entsprechen nicht dem europäischen Standard. In puncto Komfort haben die Chinesen dagegen mehr zu bieten. Enthält die Basisversion doch elektrische Fensterheber, Klimaanlage, Funkfernbedienung, Parkpilot und ein CD-Radio serienmässig. Und bei der De-Luxe-Version gibt es zusätzlich eine Klimaautomatik, ein elektrisches Schiebedach und Ledersitze. Die Frage, wo man den BS6 und ab Mitte nächsten Jahres den BS4 kaufen kann, blieb allerdings auch vier Wochen vor Verkaufsstart ungeklärt. Insgesamt will HSO bereits im nächsten Jahr 15'000 Fahrzeuge in Europa und davon 2000 in Deutschland verkaufen. Kein unrealistisches Ziel, sofern es gelingt, leistungsfähige Importeure zu finden. Erheblich ehrgeiziger erscheinen laut Auto-Reporter die für 2010 geplanten 75'000 Einheiten. Auch unter Berücksichtigung, dass es bis dahin weitere Modelle geben soll und die Brilliance-Fahrzeuge auch im Norden und Süden Europas vermarktet werden. Denn nur in puncto Preis zu punkten, erleichtert zwar den Einstieg in den Markt, sichert aber nicht Wachstum. Die Japaner benötigten in Europa dafür 20 Jahre, die Südkoreaner zehn. Schafft es Brilliance jetzt in fünf?
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