Freitag, 31. Oktober 2008 Brilliance: Sie werden sich wundern, was da abgeht
Hartwig Hirtz,Geschäftsführer der Brilliance Motors Deutschland GmbH. Foto: Auto-Reporter
"Alles neue Händlerverträge", Hartwig Hirtz geht an zusammen geschobenen Bürotischen entlang, auf denen in zwei Reihen rund 20 daumendicke Stapel von Papieren aufs Eintüten warten. Vor Jahresfrist noch hätte niemand auch nur einen Euro auf die Richtigkeit von Aussagen aus dem Hause Brilliance gewettet. Der chinesische Autohersteller hatte in den drei Jahren seit dem ersten Versuch, in Deutschland Fuss zu fassen, zu oft mit unterschiedlichen Zahlen jongliert. Was ist heute anders beim zweiten Versuch?
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"Heute bewerben sich die Händler bei uns", stellt der 58-jährige Hirtz fest, der seit Juli 2007 als Geschäftsführer der Brilliance Motors Deutschland GmbH die Geschicke der chinesischen Marke lenkt. "Bis zum Ende des Jahres werden es 150 Händler sein", ist Hirtz sich sicher und legt Wert auf die Feststellung, dass es sich auch bei den heute 124 Händlern keineswegs um "Hinterhofbetriebe" sondern um Top-Betriebe handelt.
Die Änderung der Brüsseler Gruppen-Freistellungsverordnung (GVO) für den Autohandel kam Brilliance bei der Händlersuche sehr entgegen. Viele Händler sehen die chinesischen Fahrzeuge als Zubrot zum normalen Geschäft. Sie umgeben sich mit einem kompletten Portfolio an Marken umgeben, um alle Zielgruppen und alle Preisklassen unter einem Dach abdecken zu können. "Auch zwei Mercedes-Benz-Händler sind dabei", freut sich der Brilliance-Geschäftsführer.
Hirtz konnte also offenbar auch ehemalige Kollegen von der neuen Marke überzeugen, war er doch vor seinem Engagement bei den Chinesen Leiter einer Mercedes-Benz Niederlassung und vorher immerhin 14 Jahre als Deutschland-Chef für Chrysler und Jeep und davor für Suzuki aktiv. Im Rückblick auf seine berufliche Laufbahn nennt er sich selbst einen "gelernten Importeur". Nun kehrt Hirtz räumlich an den Beginn seiner Laufbahn zurück; denn er bezog mit Brilliance das Gelände am Bremerhavener Fischereihafen, in dem einst Suzuki seinen Weg auf den deutschen Markt begonnen hatte.
Brilliance sieht er auf einem ähnlichen Weg wie einst die japanischen Hersteller: "Die Japaner haben in Europa zwanzig Jahre gebraucht, um dort zu stehen, wo sie heute stehen. Die Koreaner haben zehn Jahre gebraucht, und die Chinesen werden keine fünf Jahre brauchen." Hirtz weiss aber auch: "Wir dürfen uns jetzt in Deutschland keinen Fehlstart leisten." Deswegen hätte er das Auto - gemeint ist der gerade eben der Presse vorgestellte Brilliance BS4 - nicht eingeführt, wenn er nicht gewusst hätte, dass es im EuroNCap-Crashtest nicht wenigstens 3,5 Sterne erreichen kann. Nach dem katastrophalen Ergebnis des ersten Crashtests 2007 in Europa muss nun ein neuer unabhängiger Crashtest zeigen, ob die gründliche Überabeitung zum erwarteten Ergebnis führt. Aber neben der mangelnden Sicherheit hatte der erste Versuch auch Fahrzeuge mit ungewohnt schlechter Qualität nach Europa gebracht. Auch das soll überwunden sein, meint Hirtz. Man habe selbst die Arbeit der Chinesen an den Bändern überwacht.
Gern weist der deutsche Manager auch darauf hin, dass die Rohbauten der Brilliance-Fahrzeuge in China auf denselben Bändern hergestellt werden wie die BMW, und das auf deutschen Anlagen. Auch die Qualitätskontrolle am Bandende erfolge gemeinsam mit den Bayern.
In der Tat liess das Exemplar des BS4, mit dem wir eine kurze Probefahrt unternahmen, den Eindruck, dass einfache, aber akzeptable Materialien akzeptabel verarbeitet werden, ohne Luxus vortäuschen zu wollen. "Ein Billigauto bieten wir nicht", stellt Hirtz klar. 15'990 Euro kostet die einfachere der beiden BS4-Varianten. Mit seinen Preisen will sich Brilliance in Deutschland um 10 Prozent bis 15 Prozent unter denen koreanischer Hersteller ansiedeln.
Woher nimmt Hirtz den Optimismus, dass diese Preisdifferenz reicht? Die Händler seien motiviert, seit sie die ersten Fahrzeuge gesehen haben. Ausserdem habe man ihnen die Entscheidung für die Marke erleichtert, weil "wir den Händler nicht gebunden haben". Für das Einsteigerpaket inklusive Spezialwerkzeug waren nur 7500 Euro fällig. "Der Glaube an den Erfolg ist da."
Viele der Händler sehen Brilliance nicht nur als Abrundung ihrer Angebotspalette nach unten. Als noch attraktiver betrachten sie offenbar von ihnen die Möglichkeit, nun bisherige Gebrauchtwagenkäufer zu Neuwagenkäufern werden können. Sie erwarten sich von der Arbeit mit Brilliance neue Kundenschichten in ihren Schauräumen.
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