Der flache und lang gestreckte Roadster gehört zu den wohl mystischsten Jaguar Modellen aller Zeiten. Blieb er doch ein Einzelstück und wurde - auf Order von Firmenchef Sir William Lyons – im Verborgenen und von einem kleinen Team entwickelt. Während der erste 5.0 Liter V12 seinen Urschrei im Juli 1964 ausstieß, stand der von Malcolm Sayer gewohnt aerodynamisch gezeichnete XJ13 erst im März 1966 auf den Rädern. An das Aluminium-Monocoque war der Motor als mittragendes Element angeschraubt; zusammen mit dem Getriebe und der Hinterradaufhängung bildete er eine komplett abnehmbare Einheit. Mit dem 472 PS starken Roadster erreichte Jaguar Testfahrer Norman Dewis Höchstgeschwindigkeiten von 320 km/h.
Angedacht war ein Einsatz bei den 24 Stunden von Le Mans, zu dem es aber nie kommen sollte. Schon die Fertigstellung des XJ13 hatte sich verzögert, da der Anlauf des neuen E-Type durch Gerüchte um einen neuen V12-Sportwagen nicht gestört werden sollte. Als dann im Juli 1966 die Fusion von Jaguar mit Austin, Morris und MG zur British Motor Holdings (BMH) folgte, wurden alle Pläne für ein Comeback im Motorsport hinfällig. Die Entwicklung des Prototypen ging zwar noch weiter, kam aber 1967 zum Erliegen. Der XJ13 wurde in einer Ecke des Werkes Browns Lane abgestellt und drohte in Vergessenheit zu geraten.
Mit 220 km/h im XJ13 aus der Steilkurve – doch Norman Dewis blieb unverletzt
Bis sich im Vorfeld der Weltpremiere des Serie 3 E-Type V12 die Jaguar PR-Strategen des Zwangspensionärs entsannen. Sie ließen den XJ13 entstauben, und zu einem Videodreh auf der MIRA-Teststrecke bestellen. Es war der 20. Januar 1971, als Norman Dewis während der Filmaufnahmen bei 220 km/h in einer Steilkurve die hintere rechte Felge brach. Der XJ13 überschlug sich mehrmals und kam erst im schlammigen Infield – auf den Rädern stehend – zum Stehen. Wie durch ein Wunder blieb Dewis bis auf zahlreiche Prellungen unverletzt. Seiner Frau Nan verschwieg er zunächst den Unfall – umso größer der Schreck, als sie davon am nächsten Morgen aus der Zeitung erfuhr.
Zwei Jahre später wurde das Wrack auf Initiative von „Lofty“ England, der 1972 Sir William Lyons an der Spitze von Jaguar abgelöst hatte, neu aufgebaut. Die ursprünglichen Holzformen für die manuelle Fabrikation der Aluminiumbleche waren noch vorhanden. Nicht jedoch die Gussformen für die Felgen, die daraufhin neu angefertigt werden mussten. Der Grund, warum der zugleich mit neuen Reifen besohlte XJ 13 heute stärker ausgestellte Radhäuser zur Schau stellt. 1973 drehte das wiedergeborene Einzelstück beim GP von England in Silverstone eine erste Demonstrations-Runde, 2005 zeigte ihn Jaguar auch beim Oldtimer Grand Prix, und 2006 dann auch dort, wo er ursprünglich hätte fahren sollen: Le Mans. Am Steuer: Norman Dewis. Nach dem Unfall von 1971 hatte ihn seine Tochter Linda eigentlich gebeten, nie mehr in den XJ13 zu steigen. „Aber ich konnte ihr dieses Versprechen nicht geben, meine Liebe und Zuneigung zu diesem Auto sind einfach zu groß“, bekennt der längst selbst zur Legende gewordene Testfahrer, der in diesem Jahr seinen 96. Geburtstag feiert.
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