Konzernchef Zetsche brachte die Gründe für die Trennung prägnant auf den Punkt: "Wir gewinnen an Gestaltungs- und Investitionskraft, da die Gesundheits- und Pensionsverpflichtungen in Höhe von insgesamt 37 Milliarden Euro bei Chrysler bleiben. Wir stärken die Nachhaltigkeit unserer Erträge, weil wir in Zukunft nicht mehr so stark vom volatilen nordamerikanischen Volumenmarkt abhängen. Und wir konzentrieren uns mit voller Kraft auf das, was wir am besten können: Premiumautos, die unsere Kunden überzeugen und faszinieren, erstklassige Lkws, Transporter und Busse mit maximalem Kundennutzen und umfassende Serviceangebote und Finanzdienstleistungen rund um diese Produkte." Damit war eigentlich alles gesagt. Zetsche wirkte sehr entspannt, seine mit viel Enthusiasmus vorgetragene Rede liess aber dennoch erkennen, dass die letzten Monate nicht leicht gewesen sein dürften. Gewissermassen eine Kehrtwende in der Unternehmensausrichtung zu machen, sie durchzusetzen und zu kommunizieren, war keine leichte Aufgabe. Dieses motivierende Element dürfte bis zu jeder Werkbank im Unternehmen gedrungen sein, wo man die Entscheidung zum Verkauf von 80,1 Prozent von Chrysler an Cerberus schon bei der Bekanntgabe begrüsst hatte. Das Thema Konzern-Namensänderung in "Daimler AG" hat zwar viele der Aktionäre zum Widerspruch angeregt, aber die von Zetsche vorgebrachten Argumente sind durchaus überzeugend. Tatsächlich ist der Konzern heute ein anderer als vor zehn Jahren, der Umsatz hat sich seitdem verdoppelt. Ganz klar, so Zetsche, sei auch, dass die Marke Mercedes-Benz weiter im Mittelpunkt des Unternehmens stehe. "Auch in Zukunft wird der Stern das Herzstück unseres Unternehmens bleiben", betonte er. Tatsächlich muss man es so sehen, wie von ihm begründet: Denn der Konzern ist als kommunikatives Dach ein anderes als zum Beispiel die Automarke Mercedes-Benz. Schon seit den Fünfzigern antworteten Mitarbeiter auf die Frage, wo sie arbeiteten: "beim Daimler". Das ist nicht die Begründung von Zetsche, aber "beim Daimler zu schaffe", war schon immer etwas Besonderes, obwohl man Mercedes-Autos gebaut hat. Die Kritik, dass der altehrwürdige Karl Benz aus dem Namen getilgt würde, ist so doch gar nicht richtig. Im Gegenteil. Der gute Karl Benz bleibt nicht nur auf den Aktien der neuen AG sichtbar, er wird sogar noch dort hervorgehoben, wo er eigentlich nicht hingehört. Zum Beispiel heisst die DaimlerChrysler Bank künftig "Mercedes-Benz Bank". Die Mercedes Car Group heisst künftig "Mercedes-Benz Cars", die Werke heissen nun auch "Mercedes-Benz Werke", und selbst die Ländergesellschaften in aller Welt firmieren nun unter "Mercedes-Benz". Mit dem am Donnerstag gezogenen Schlussstrich dürfte "Daimler" deutlich an Performance gewonnen haben. Schon psychologisch könnte man sagen, dass ein Ruck durchs Unternehmen gegangen ist. Den Kopf wieder freizuhaben für das automobile Premiumgeschäft, ist eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg der Zukunft. Die positive Erfahrung, die BMW nach dem Ende der Rover-Belastung gemacht hat, dürfte bei Daimler noch deutlicher spürbar werden. Befreit vom Chrysler-Ballast wird Daimler mit Sicherheit zu neuen Höhenflügen ansetzen, die allerdings nicht im Himmel enden, sondern bodenständig auf der Erde bleiben.
Von Hans-U. Wiersch
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