Unser Testwagen Volvo S90 T6 AWD in der Spitzenausstattung Inscription zeigt mit seiner ganzen Erscheinung den Anspruch der neuen Ära. Die Proportionen, die Linienführung der Silhouette und die 20 Zoll großen Räder signalisieren nicht nur sportliche Eleganz, sondern den Willen, in den automobilen Olymp aufzusteigen.
Passend schwedisch geht es im Innenraum zu: reduziert und sachlich, mit offenporigem, hellen Holz und hellen Ledersitze. Zum beliebten skandinavischen Design kommt das digitale Cockpit und der aufrecht stehende Touchscreen in Tablet-Größe. Sie bringen High Tech ins Ambiente. Sitze, die bequem aussehen und Seitenführung zeigen, laden auf die Langstecke ein. Die hinten Sitzenden werden sich bei solch eine Tour nicht über mangelnde Beinfreiheit beklagen können: vier sitzen kommod, fünf sind möglich. Allerdings müssen die beim Gepäck nachdenken. Denn der Kofferraum ist mit 500 Litern groß, aber mit 51,5 Zentimetern recht flach.
Drei Fahrprogramm lassen sich über einen – warum auch immer drehbaren – Drückschalter einstellen: „Eco“, „Comfort“ und „Dynamic“. Die Spreizung fällt bei der Arbeitsweise der Acht-Gang-Geartronic am deutlichsten aus. Sie schaltet schneller, früher und in einen niedrigeren Gang. Der Motor klingt giftiger. Aber unabhängig vom Fahrmodus bleiben kurze Stöße aus dem Fahrwerk fühl- und hörbar, und an Bord wird es oberhalb 160 km/h lauter als bei Limousinen dieser Preisklasse und mit diesem Anspruch üblich.
Wer sich für einen T6 entscheidet, hat vermutlich nicht vor, sich ständig unterhalb der 160 km/h aufzuhalten. Die 320 PS aus dem Zwei-Liter-Kompressor/Turbo-Motor wollen gefordert sein. Es sei denn, der Fahrer lässt sich dazu verleiten, den Komfort-Modus des S90 auszukosten und sich beim Cruisen mit weniger Pferdchen zu bescheiden. Bei Vollgas wird ein Sprint von 0 auf 100 km/h nach 5,9 Sekunden abgeschlossen; die Höchstgeschwindigkeit erreicht der Volvo mit 250 km/h. Der durchschnittliche Normverbrauch liegt (nach NEFZ) bei 7,2 Liter auf 100 km.
Ob Innenstadt oder Autobahn – natürlich ist die Liste der Assistenz- und besonders der Sicherheitssysteme so vorbildlich, wie es sich für das Flaggschiff der schwedischen Marke gehört. Mit dem Pilot Assist II hat Volvo auch die ersten Schritte hin zum autonomen Fahren zurückgelegt. Der Pilot Assist kann bis 130 km/h die Regie übernehmen, Abstand zum Vordermann und die Fahrspur halten.
Im Umgang mit den Systemen erweist sich der Volvo als vorsichtig – manchmal auch als übervorsichtig – zum Beispiel bei der aktiven Spurhaltung. Als wir ihr ohne Hand am Lenkrad zuschauen, wie sie den S90 zwischen der linken und der rechten Linie pendeln lässt, hat unser Volvo die Sache bald satt und fordert uns dazu auf, eine Pause einzulegen. Sehr vernünftig. Ebenso vorsichtig agiert der Notbremsassistent mit Radfahrer- und Fußgänger-Erkennung. Sie warnt uns lautstark und grell vor dem auf dem Radweg neben der Straße gelassen dahinrollenden Radler. Und sie fordert uns trotz Lenkradeinschlag in einer leichten Linkskurve dazu auf, nicht auf den in einer Parkbucht vor uns stehenden Personenwagen aufzufahren. Der S90 bremst sogar an. Das ist für den Algorithmus ja auch eine schwierig einzuschätzende Situation. Da darf die Elektronik den Fahrer vorsichthalber lieber mal ohne Grund erschrecken.
Doch diese Schrecksekunden nehmen dem S90 nichts von der Gelassenheit, mit der Limousinen dieser Klasse so gern beeindrucken. Das lichte Ambiente, die viele Technik im Blick, das Wissen um die Assistenten im Hintergrund und erst recht die Linienführung heben auch den Volvo S90 für seinen Fahrer und den Betrachter von außen wieder von der Masse ab – dieses Mal eben nicht mit optischen Auffälligkeiten, sondern mit einer klassischen Schönheit, gegen die viele der heutigen großen Limousinen nicht ankommen.
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