Samstag, 3. November 2018 Touareg: Der letzte Premium-VW
Volkswagen Touareg. Foto: Auto-Medienportal.Net/Volkswagen
Er war der Dinosaurier unter den Finalisten des German Car of The Year, und dennoch hat er sich bei den Testfahrten auf Straße und Rennstrecke in der Endausscheidung um drei Plätze nach vorn geschoben: Die Rede ist vom VW Touareg, dem teuersten und anspruchsvollsten Volkswagen, den es derzeit zu kaufen gibt. Nur dem Audi A6 und dem Jaguar I-Pace musste er sich geschlagen geben.
Jetzt hatten wir Gelegenheit, den Wolfsburger Premium-SUV auch im Gelände zu testen. Und zwar dort, wo man sich wenige Schwächen leisten kann: VW hat die Testfahrten nicht etwa ins sichere Umfeld eines westeuropäischen Off-Road-Geländes gelegt. Stattdessen ging es nach Nordafrika. Präziser gesagt: Auf die halsbrecherischen, teils einspurigen Pisten des Hohen Atlas, und zwar bis auf knapp 3000 Meter Höhe. Es sind Straßen, auf denen keine Leitplanke die Schotterpiste vom Abgrund trennt.
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Es galt auch zu beweisen, dass der Verlust der Geländeuntersetzung kompensiert werden kann: Bis zum Modellwechsel gab es den Touareg auch mit einer entsprechenden Hardware zu kaufen. Doch die Einbauquote war zuletzt auf drei Prozent gesunken, und so hat VW vor knapp zwei Jahren das ursprünglich geplante Reduktionsgetriebe aus dem Lastenheft gestrichen.
Auf der Habenseite stehen eine weiter optimierte Software und das geringere Gewicht des neuen Touareg, der nun auf der von Audi entwickelten MLB-Architektur steht. Derart ausgerüstet kommt der Touareg auch in anspruchsvollem Gelände sehr weit, weiter jedenfalls als das Vorgängermodell ohne Offroad-Paket. Das dürfte für mindestens 97 Prozent der bisherigen Kunden genügen, die zuletzt auf die Geländereduktion verzichteten. Wer allerdings in schweres Gelände will, muss sich künftig außerhalb des VW-Konzerns umsehen.
Für Vortrieb sorgen V6-Motoren, die nach dem Diesel- oder Ottoprinzip arbeiten. Wir sind den 286 PS (210 kW) starken V6 TDI gefahren. Das Aggregat gönnt sich beim Beschleunigen eine spürbare Pause, was vor allem an den brutalen Euro-6d-Temp-Abgasvorschriften liegen dürfte. Wird das Gaspedal aufs Bodenblech gepresst, passiert erst einmal wenig. Dann schaltet das Automatikgetriebe mehrere Stufen zurück, die Turbolader holen Luft und schließlich schießt der Zwei-Tonnen-SUV mit einer Vehemenz nach vorn, die ihresgleichen sucht.
Nur 6,1 Sekunden benötigt der Touareg von 0 auf 100 km/h, die Spitze liegt bei 238 km/h. Diese Verbrauchswerte kontrastieren mit hervorragenden Verbrauchswerten: Ganze 7,7 Liter pro 100 Kilometer genehmigt sich der kultivierte Sechszylinder.
So beeindruckend sich der V6 TDI auch schlägt: Der Dampfhammer kommt erst noch. Wir meinen den 4,0-Liter-V8 TDI, der für kommendes Frühjahr angekündigt ist. Im Frühjahr soll diese Touareg-Topmotorisierung auf den Markt kommen. Das Warten dürfte sich tatsächlich lohnen.
Unvermeidlich kommt auch noch ein Plug-In-Hybrid. Die Politik will diese Antriebsvarianten; wer sich darauf einlässt, darf sich auf Überraschungen gefasst machen. Damit ist nicht nur die merkwürdige Fahrcharakteristik gemeint, sondern auch der Realverbrauch, der sich bei Plug-In-Hybriden regelmäßig in schockierendem Maße von den offiziellen Zyklusverbräuchen unterscheidet.
So sinnbefreit sich die Elektrifizierung im Antriebsstrang ausnimmt, so sehr fasziniert die Elektronik im Interieur. Das aufpreispflichtige Innovision-Cockpit ist für Technik-Liebhaber jeden Cent seiner 3500 Euro Aufpreis wert. Die großflächige Verglasung wirkt ungewöhnlich futuristisch; die Instrumentierung lässt sich vielfach konfigurieren, wobei es Zeit und Experimentierfreude erfordert, um das Potential des Systems auch nur annähernd auszunutzen.
Akustik und Federungskomfort des Touareg sind über jeden Zweifel erhaben, und die Handlingeigenschaften bei hohen Geschwindigkeiten sind in den ersten Fahrberichten erschöpfend gewürdigt worden. Im Konkurrenzumfeld – und dazu gehören hervorragende Autos wie der BMW X5 oder der Mercedes-Benz GLE – nimmt der Touareg weiterhin eine Spitzenposition ein. Er dokumentiert damit, was die Wolfsburger Entwickler können, wenn man sie nur lässt.
Es ist seine weitgehend kompromisslose Perfektion, die den Touareg zu einem außergewöhnlichen Angebot in seiner Klasse macht. Und zu einem außergewöhnlichen VW. Denn unter neuer Führung entwickelt sich die Marke vom Premium- zum Massenhersteller zurück. Seit der Phaeton aus dem Programm gestrichen wurde und kein Golf oder Passat mehr mit Sechs-Zylinder-Motor zu bekommen ist, weht der Geist eines Ferdinand Piëch nur noch in dieser Baureihe. Mit dem kommenden Touareg V8 TDI hat VW noch einmal die Chance, sich mit einem überlegenen Produkt weit vor der Konkurrenz zu platzieren. (ampnet/jm)
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