Der S60 steht auf der vor vier Jahren mit der zweiten Generation des XC90 eingeführten SPA-Plattform und bietet Look und Feel, den jeder moderne Volvo mit den prominenten Thors-Hammer-Scheinwerfern und einem relativ langen und flachen Profil aufweist, das sich von dem gedrungenen Design des noch unter Ford-Ägide gezeichneten Vorgängermodells abhebt. 10 cm mehr Radstand und 13 cm mehr Länge lassen ihn eine halbe Klasse größer aussehen als bisher, und das optionale R-Design kann sich an den entsprechenden Paketen von Mercedes-AMG, den BMW M-Sport-Modellen und der Audi-S-Line durchaus messen.
Die amerikanischen Wurzeln bedeuten jedoch nicht unbedingt, dass der S60 langweilig wäre. Im Vergleich zum Vorgänger ist der S60 sportlicher geworden, und unter den Modellen mit SPA-Plattform bereitet er den meisten Spaß. Die Aggressivität eines Alfa Romeo Giulia oder eines Jaguar XE bietet er allerdings nicht. Am harmonischsten ist die T6-Variante mit 310-PS-Vierzylinder, Allradantrieb und R-Design-Paket. Die Leistung ist mehr aus ausreichend, vor allem im Dynamic-Modus, wenngleich sie nicht so seidenweich vorgelegt wird wie bei einem Sechszylinder. Und der Acht-Gang-Automat könnte etwas schneller zurückschalten. Den S60 interpretiert man am besten als Langstrecken-Cruiser, dann auch gerne im Comfort-Modus.
Natürlich wäre für lange Strecken ein Diesel wohl am besten geeignet. Doch den gibt es nicht. Was in Europa als Weichenstellung für eine Abschaffung des Selbstzünders verkauft wird, erklärt man US-Journalisten schlicht mit der Reduzierung der Komplexität. Denn der S60 ist nun einmal primär kein Auto für Europa. Das Programm ist auf US-Bedürfnisse zusammengestutzt.
Und in Amerika gefällt der geräumigere Rücksitz und der breitere Innenraum, in dem man bequemer sitzt als bisher. Der Kofferraum ist gut zugänglich, die Rückbank geteilt umlegbar. Ansonsten wirkt das Interieur übrigens sehr modern und geradezu luxuriös. Das Cockpit wird durch einen vertikal ausgerichteten, berührungsempfindlichen Neun-Zoll-Bildschirm dominiert, direkt vor dem Fahrer sitzt ein 12,3-Zoll-Bildschirm.
Das ganze Infotainment sieht so ähnlich aus wie in den älteren Volvo-Modellen, ist aber erheblich schneller – laut Hersteller um 50 Prozent. Das bedeutet, dass die Darstellung schneller hochfährt und Funktionen wie die Rückfahrkamera reibungslos funktionieren. Uns fehlen noch immer die physischen Steuerelemente für Heizung und Lüftung. Trotzdem bleibt es eines der optisch ansprechendsten Systeme auf dem Markt.
Das moderne Fahrerassistenzsystem heißt bei Volvo Pilot Assist. Seine Lenk und Tempokorrekturen bestehen im Konkurrenzvergleich. Auch in diesem Punkt hat der S60 also gegenüber den älteren Volvo-Modellen der aktuellen Generation zugelegt.
Von der kürzlich von Volvo vorgeschlagenen Beschränkung der Höchstgeschwindigkeit ist bei der Version S60 T8 Polestar Engineered. Hier zeigt Volvo eher, was alles mit einem hochgezüchteten Zwei-Liter-Vierzylinder möglich ist. Der Turbomotor wurde um weitere 15 PS angehoben und leistet nun im Zusammenspiel mit dem Elektromotor stolze 415 PS. Allen politischen Bremsmanövern zum Trotz hofft Volvo, dass dieses Auto ein Rivale für den Mercedes-AMG C43 darstellt. Doch die Nachteile aller Volvo-Hybride sind auch hier präsent: Ein unpräzises Bremsgefühl und die ungleichmäßige Kraftübertragung bei niedrigen Geschwindigkeiten. Sowohl ein reines Elektroauto als auch ein nicht-hybridisierter Verbrenner zeigen ein kultivierteres und spontaneres Verhalten.
Letztlich hat Volvo sich von dem Ansatz verabschiedet, einen besseren BMW 3er bauen zu wollen. Stattdessen ist der S60 eine ganz andere, vielleicht ähnlich reizvolle Alternative. Dass er in großen Stückzahlen nach Europa exportiert wird, wagen wir zu bezweifeln. Der dortige Markt ist die Domäne des V60. Den gibt es deshalb auch immer noch mit Dieselmotoren gibt. (amonet/ze)
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