Samstag, 16. August 2008 BMW: Furcht vor der Zukunft?
BMW Welt in München. Foto: Auto-Reporter/BMW
Deutschland ist im Abschwung. Daran ist nicht mehr zu zweifeln. Jetzt haben sich aber Unternehmer und Wirtschaftsminister Glos mit dem Hinweis zu Wort gemeldet, dass dies alles kein Grund sei, die Lage noch schlechter zu reden, als sie sei. Das ist absolut richtig. Es wäre grundfalsch, jetzt in Panik zu machen. Allerdings gibt es Unternehmen, die genau das zu tun scheinen, wichtige strategische Entscheidungen revidieren, Sparprogramme verschärfen und auch ans Eingemachte gehen, an die Kernsubstanz ihrer Marke. Ein Beispiel ist das bis vor wenigen Wochen glänzend aufgestellte Unternehmen BMW. Es ist noch nicht lange her, da jagte eine positive Meldung von der globalen Verkaufsfront die andere. Rekordumsätze, Rekordstückzahlen, Rekordgewinne. Da war der unterbewertete Aktienkurs zwar störend, die Analystenkritik an der Rendite ein Minuspunkt, alles in allem aber stand BMW glänzend da.
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Ein Höhepunkt war sicher die Eröffnung der "BMW Welt" in München. Das architektonische Wunderwerk (mittlerweile einer der touristischen Höhepunkte für München-Besucher) zeigt im wahren Wortsinn eine strahlende BMW-Welt. Perfekt inszeniert ist dieser Bau das Statement eines erfolgreichen Unternehmens, selbstbewusst, stark und Wind und Wetter trotzend. Was hat sich in so kurzer Zeit nur geändert, dass bei BMW nun Entscheidungen getroffen werden, die fast schon Anflüge von Panik in sich zu tragen scheinen? Da wird der Neubau der Niederlassung in Nürnberg gestrichen, nachdem vor einiger Zeit die Grundsteinlegung gefeiert worden war. Die mit viel Elan geplante Niederlassung am Berliner Messedamm steht "auf dem Prüfstand", wie man das elegant formuliert. Man hat den Eindruck, als ob bei BMW Entscheidungen nicht mehr strategisch langfristig getroffen werden, sondern nach wirtschaftlicher Stimmungslage. Die von BMW damit ausgesandten Signale können dramatische Auswirkungen haben. Sowohl nach innen als auch nach aussen. Wenn die BMW-Führung die früher geradezu grundgesetzlich verankerte Zuverlässigkeit getroffener Entscheidungen nicht mehr gelten lässt, ist das ein eklatanter Bruch mit einer bislang beeindruckenden Firmenkultur, die einst vom legendären BMW-Chef Eberhard v. Kuenheim praktiziert worden war: langfristig denken. Wenn nun BMW-Chef Norbert Reithofer fast schon flapsig sagt, man habe das grosse SUV X7 im Vorstand beerdigt, klingt das nicht mehr nach langfristiger Strategie, sondern in der Summe mit weiteren Projektstreichungen nach eher hektischen Korrekturmanövern, die der erfolgreichen Premiummarke alles andere als dienlich sind. Warum BMW so heftig korrigiert, was noch vor einem halben Jahr unstrittige Entscheidungslage war, ist schwer zu erklären. Auch nicht mit dem schwachen US-Dollar. Die Produktion im amerikanischen Spartanburg wurde ja gerade deshalb enorm ausgebaut, damit im Dollar-Raum produzierte Fahrzeuge Währungsschwankungen ausgleichen. Das funktioniert auch, natürlich nur bei den dort gebauten Modellen X5, X6 und Z4. Steckt BMW gar in einer Sinnkrise? - Fragt man BMW-Führungskräfte, werden sie verlegen. Unter der Hand vermissen sie im Vorstand "Leidenschaft fürs Automobil". Kaum ein Tag vergehe, ohne dass Entscheidungen fielen, "die die Mitarbeiter demotivieren". Weniger Geld für besondere Berufsgruppen, Streichung von Entwicklungsprojekten, schwerere Aufstiegschancen für Führungskräfte, Personalabbau und anderes. "BMW hat irgendwie sein Selbstverständnis verloren, was die Marke noch immer ausmacht." Es sei falsch, den fürs Image wichtigen Sportwagen zu streichen, und es sei falsch, mit dem Gedanken zu spielen, eine Billig-Werkstattkette aufzubauen. "Wir verspielen mittelfristig unser Premiumimage. Die Begehrlichkeit der Produkte wird abnehmen, und BMW wird keine Premiumpreise mehr erlösen können", sagt sogar ein ehemaliges Vorstandsmitglied. Verunsichert von der Klimadiskussion, von dunklen Wolken am Wirtschaftshorizont und von politischen Rahmenbedingungen stellt BMW die Weichen in Richtung Sparkurs. Wo früher langfristig gedacht wurde, ist fast schon Atemlosigkeit zu spüren. Das mag die Bilanz für eine kurze Zeit aufhellen, ob BMW langfristig eine Winner-Marke mit starkem Premiumimage und -anspruch bleibt, darf man durchaus infrage stellen. Fehlt BMW gar ein Car-Guy, wie es die ehemaligen Entwicklungsvorstände Burkhard Göschel (heute Magna) oder Wolfgang Reitzle (heute Linde) gewesen sind? BMW ist noch immer eine starke Marke. Wenn aber das Verständnis für den Kern einer Marke verloren geht, verblasst mittelfristig auch der Glanz der stärksten Marke. Und gerade bei abflauender Konjunktur müsste sie genau diese Stärke zeigen. Was sie mit den Sparentscheidungen zeigt, ist aber nur Zähneklappern. Und Furcht vor der Zukunft ist schon immer der schlechteste Ratgeber gewesen. (ar/PS/HU)
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