Es war an der Zeit, „alte Zöpfe abzuschneiden“, sagt August Achleitner heute. Von 1989 bis 2000 arbeitet er als Leiter der Abteilung „Technische Produktplanung, Fahrzeugkonzepte und Package inklusive Sonderprojekte“ und somit als strategischer Chef der 996-Gesamtfahrzeugkonzeption. „Porsche brauchte ein Auto im unteren Preissegment, also Stückzahlen. So ist die Idee mit dem Boxster und dem 996 als Gleichteilekonzept entstanden.“ Dass der neue Elfer wie ein Elfer aussehen muss, war klar – welcher Motor im Heck zum Einsatz kommen würde zunächst nicht. „Mit der Motorisierung haben wir herumprobiert, denn die luftgekühlten Zweiventiler waren technologisch in Sachen Emissionen und Leistung am Ende. Luftgekühlte Vierventil-Boxer haben aufgrund diverser nicht in den Griff zu bekommender Wärmenester nicht funktioniert. 1989 steckte versuchsweise sogar ein kompakt bauender V8 im Heck, aber auch diese Idee wurde verworfen. Und so kamen wir auf wassergekühlte Boxermotoren als Vierventiler.“
Für die Optik des 996 ist in den Neunzigerjahren Chefdesigner Harm Lagaaij zuständig. Er erinnert sich, wie überrascht er war von der damals im Automobilbau einmaligen Strategie, einen Mittelmotor-Roadster und ein Heckmotor-Coupé von der Front bis zur B-Säule komplett identisch zu gestalten. „Die Aufgabe war eine echte Herausforderung. Aber wir haben das gemeistert, indem wir zunächst viele verschiedene Boxster-996-Pärchen entwarfen.“ Aus Zeitgründen müssen die Modellierer direkt an 1:1-Modellen arbeiten. Um das Programm zu schaffen, holt Porsche viele Spezialisten an Bord, sodass Lagaaijs Team zeitweise bis zu 80 Mitarbeiter stark ist.
Dass die beiden ausgewählten Designmodelle vorne schließlich den Look der Boxster-Studie tragen, die 1993 auf der Detroit Motorshow präsentiert wurde, liegt an deren Erfolg. Die Boxster-Studie begeisterte das Publikum und wurde zum „Best of Show“ gewählt. „Mir war sofort klar: Das Show-Gesicht passt auch zum 996,“ sagt Lagaaij. „In Vergessenheit geraten ist, dass wir an allen drei Versionen – 996, 986, Showcar – zur selben Zeit gearbeitet haben. Sonst wäre zu viel Zeit vergangen, bis die Öffentlichkeit von den Autos erfahren hätte.“ Dabei ist dem Chefdesigner bewusst, dass eine Verwechslungsgefahr der Generationen 996 und 986 bestand, aber: „Der Druck und die Vorgabe, die Firma zu retten, stand an erster Stelle.“
Das neue Gleichteilekonzept betrifft beim Vorderwagen alle Abteilungen – vom Fahrwerk zur Elektrik, von der Karosserie bis zum Package. „Das Programm war so geplant, dass wir von beiden Fahrzeugen in Summe mindestens 30.000 Stück mit guter Rendite absetzen,“ sagt Achleitner. Das sei auch der Grund gewesen, warum der Boxster 1996 auf den Markt gekommen ist – ein Jahr vor dem 1997 eingeführten 996. Der Plan geht auf: Von der Elfer-Generation 996 werden jährlich mehr als 30.000 Stück verkauft, insgesamt pendelt die Stückzahl zwischen 50.000 und 60.000.
Intern kommt nie Kritik am Konzept oder am Design auf – die Form und Wirkung der Scheinwerfereinheiten mit den integrierten Blinkern fällt nach ein paar Monaten jedoch bei der Presse in Ungnade. Was die Macher überrascht, schließlich wurden die Einheiten bei der Boxster-Studie kurz vorher gelobt. „Die Konstruktion war absolut einmalig: fünf Funktionen in einem Modul, das nicht teuer war und in Minuten am Band eingebaut werden konnte“, erklärt Lagaaij.
Im April 1998 gesellt sich das Cabriolet zum Coupé – mit einem vollelektrischen Verdeck, das sich in 20 Sek. aufbaut oder absenkt. In geöffnetem Zustand verschwindet es unter einer Blechkappe. Rund sechs Monate später stellt Porsche dem Duo einen allradgetriebenen 911 Carrera 4 als Coupé und als Cabriolet zur Seite – mit der jeweiligen Karosserie des Basis-911. Dieser Allrad-Carrera und der 305 km/h schnelle, vierradgetriebene 911 Turbo, der ab Januar 2000 mit einem 420 PS starken Biturbo-Motor zu haben ist, gehören von Anfang an in die Produktplanung.
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