Porsche weiß, was seine Kunden wünschen. Zumindest wenn es um die Kommunikation der GT-Modelle geht. Da wird nicht lange im blumigen Marketing-Sprech gefackelt. Schon die erste Information des Pressetextes vermittelt den Fakt, auf den es wirklich bei einem GT von Porsche ankommt: Sieben Minuten, 40 Sekunden. So lange benötigt der Cayman GT4, um die 73 Kurven und 290 Meter Höhenunterschied der 20,832 Kilometer langen Nordschleife unter kundigen Händen am ledernen Volant zu umrunden. Vier von fünf GT-Kunden bewegen ihr Fahrzeug regelmäßig auf einer abgesperrten Rennstrecke.
Da steht er nun der Cayman GT4, Topmodell der 2013 vorgestellten aktuellen Baureihe des zweisitzigen Coupés. Die Verkostung eines potentiellen Rennwagens im automobilen Alltag tritt erst einmal mit gemischten Gefühlen an. Die Sportskanone unter den Cayman bietet für die verkehrsberuhigte Anwohner-Spielstraße einen durchaus zwiespältigen Auftritt. Drei mächtige Luftöffnungen im Bug und der noch viel eindrucksvollere, feststehende Heckflügel scheinen in diesem Ambiente mehr als politisch unkorrekt. Doch die Meute der Roller-bewehrten Kevins und Robins, die sich sofort um den GT versammelt, reagiert unisono mit hochgestreckten Daumen. Erstaunlich wie viele Kids im Vorschulalter bereits das Attribut „geil“ kennen.
Die Freude der jüngsten Fans lässt sich noch um mehrere Stufen steigern. Wenn der wassergekühlte Sechs-Zylinder-Boxer mit 3,8 Litern Hubraum zum Leben erwacht. Das heißere Röcheln geht mit einem winzigen Gasstoß sofort in ein heißeres Bellen über. Das freut den juvenilen Fanclub und den Fahrer, der sich indessen in einen perfekt geschnittenen Sportsitz schmiegt, Position und Lenkrad optimal fixiert und unter weiteren (politisch unkorrekten) Gasstößen sich an der wunderbaren Instrumentierung, den Bedienelementen und nicht zuletzt an der makellosen Verarbeitung erfreut. Gegenüber einem normalen Cayman fällt alles puristischer aus: Grundsätzlich schwarzes Interieur, mit silbernen Ziernähten, Verkleidungen in Alcantara und lediglich Schlaufen zum Öffnen und Schließen der Türen. Nichts gibt bei einem Sportler so sehr die Spaßbremse wie überflüssige Pfunde. Porsche hat den Cayman GT4 auf 1340 Kilo heruntertrainiert.
Die Drehfreude des Motors kennt scheinbar keine Grenzen, die Beschleunigung ist ebenso atemberaubend wie die Verzögerung, dank der fetten 380-Millimeter-Bremsscheiben. Auch die Lenkpräzision verdient sich Bestnoten. 4,4 Sekunden für den Spurt aus dem Stand auf Tempo 100 ist ebenso eine Ansage wie die 295 km/h Höchstgeschwindigkeit. Die sechs Gangstufen lassen sich dabei knackig wie zügig wechseln. Die Übersetzungen der Schaltstufen fallen mit einer Trockenheit aus, die normalerweise nur Geheimagenten Ihrer Majestät bei ihrem Martini schätzen.
Als echter GT von Porsche bietet auch der Cayman GT4 die Option, das elektronische Stabilitätsprogramm in zwei Stufen zu deaktivieren. Die erste Abschaltstufe „ESC OFF“ legt die Querdynamitregelung ESC still. Damit der Fahrer das Fahrzeugheck gezielt mit Gas und Lenkung destabilisieren kann. In der zweiten Stufe steht nur noch das Antiblockiersystem zur Verfügung.
Ein Auto, das an erster Stelle mit seiner Rundenzeit für die Nordschleife wirbt, darf bei einer professionellen Bewertung alle schnöden Kriterien schwänzen. Alltagstauglichkeit, Kosten-Nutzenrechnung, Öko-Bilanz? – Pillepalle! Spaß, Lebensfreude, Kinderliebe? – Volle Punktzahl! Für einen Porsche GT ist der Cayman GT4 geradezu geschenkt. Und der Sound des frei saugenden Boxers wird noch für Jahre Gesprächsstoff an langen Winterabenden bieten. Irgendwas vergessen? Ach ja, der Porsche 918 Spyder schafft die Nordschleife in 6,57 Minuten. Das ist derzeit Rekord für Serienfahrzeuge. Aber der hat auch 652 kW / 887 PS und kostete mit dem sogenannten „Weissach-Paket“ fast zehn Mal so viel wie der Cayman GT4. (ampnet/tl)
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