Vor sechs Jahren hat Porsche den ersten Boxster in einer Spyder-Version heraus gebracht. Die Kennzahlen des heutigen Modells lauten: 3,8 Liter Hubraum, 276 kW / 375 PS, 420 Newtonmeter Drehmoment, von Null auf hundert in 4,5 Sekunden. Schlappe 45 Sekunden dauert es – mit einiger Übung – wenn man das manuelle Faltdach öffnen oder schließen will. Diese Langsamkeit entdeckt man in mehreren Schritten. Doch dazu später mehr. Galten für den Vorgänger noch die werksseitigen Warnungen, Waschstraßen zu meiden und geschlossen nicht mehr als 200 km/h zu fahren, ist beides heute erlaubt. Innerhalb der Boxster-Baureihe ist der Spyder ohne Zweifel die stärkste, schnellste und puristischste Variante. Während andere Hersteller das Thema Gewicht vor allem unter dem Aspekt der Verbrauchsersparnis bearbeiten, verfolgt Porsche bei diesem Fahrzeug einen anderen Ansatz. Es geht um Dynamik und Agilität. Der Spyder, der noch fünf Pferdestärken mehr in die Waagschale wirft als der neue 911er Carrera mit seinem Dreiliter-Turbomotor, wiegt nach DIN nur 1315 Kilogramm. Um diesen Wert zu erreichen, vermarktet der Hersteller den Zweisitzer mit einem asketischen Ausstattungskonzept: Kein Radio, Keine Klimaanlage, kein Navigationsgerät, keine Gimmicks.
Natürlich kann all dies gegen Aufpreis nachbestellt werden, nur dann ist der Spyder eben nur noch bedingt die puristische Fahrmaschine, als der er annonciert wurde. Verzicht und Vergnügen fangen nicht zufällig mit der gleichen Silbe an, Verklärung aber auch. Jedes Gramm zählt beim großen Abspecken: Selbst die Innengriffe der Türen werden weggelassen und durch einfache Zugschlaufen ersetzt. Die Taste mit dem Verdecksymbol in der Mittelkonsole könnte falsche Erwartungen wecken. Sie wirkt lediglich auf den Sicherungshaken am Rahmen der Windschutzscheibe und öffnet den mit zwei sehr kleidsamen Höckern versehenen hinteren Karosseriedeckel. Dann geht’s ans Eingemachte. Aussteigen, mit kräftigem Druck auf die unter Segeltuch verborgenen Entriegelungstasten die beiden Verdeckfinnen lösen, die Sicherungsdornen in die dafür vorgesehenen Öffnungen des Scheibenrahmen stecken, Verdeck vorsichtig nach hinten klappen und den Verschluss des Heckdeckels einrasten lassen. Das feinfühlige Gaspedal, die harte Kupplung, die sensibel dosierbare Bremse, die unmittelbare Lenkung – alles greift ineinander wie die Zahnräder eines Schweizer Uhrwerks. Die Tieferlegung bringt kürzere Federn mit sich, und die daraus resultierende Härte wirkt absolut authentisch. Weil das Porsche-Doppelkupplungsgetriebe mehr wiegt als die Handschaltung, ist der Spyder nur mit manueller Schaltbox zu haben. Die Kupplung erfordert einen Kraftaufwand, auf den man im Stau gerne verzichten würde, dafür rasten die Gänge beim Beschleunigen so knackig und trocken ein, dass es eine Pracht ist. Die serienmäßige Sportabgasanlage orchestriert diesen Vorgang perfekt. Für Freude des gepflegten Krawalls ist sie schaltbar und röhrt dann alle hundert Umdrehungen in frecheren Oktaven. Die künstlich aktivierten, aber authentisch klingenden Schnalzer beim Runterschalten versetzen Fahrer oder Fahrerin in die akustische Welt der Rundstrecke. Niedrigerer Schwerpunkt als beim Serien-Boxster, gestrafftes und um 20 Millimeter abgesenktes Fahrwerk sowie die mechanische Hinterachs-Quersperre sorgen für eine Kurven-Performance, die ihres Gleichen sucht. Dass unter dem Einfluss dieser Sinnenfreuden der Tankstopp mitunter etwas früher als geplant eingelegt werden muss, ist entschuldbar. Vielleicht liegt es ja auch nur daran, dass der Spyder nicht so viel Kraftsoff mitführt, wie seine Baureihen-Brüder. Das Limit sind 54 Liter, der kleinere Tank spart sieben Kilogramm Gewicht gegenüber den anderen Modellen ein. Das Ergebnis von 11,4 Litern/100 km Testverbrauch kann nicht verschleiern, dass das Spaßpotenzial des Leichtbau-Roadsters häufig ausgeschöpft wurde. (ampnet/afb)
|