Dienstag, 26. Januar 2016 Jörg Bergmeister im Porsche 911 Turbo
Jörg Bergmeister mit dem Porsche 911 Turbo. Foto:Auto-Medienportal.Net/Manuel Hollenbach/Porsche
Der Porsche 911 Turbo ist ein sportliches Spitzenprodukt der deutschen Automobil-Industrie. Daran zweifelt wohl kaum jemand. Weitaus schwieriger sind die Nuancen auszumachen, die jenseits nackter Leistungsdaten den Fortschritt von einer Modellgeneration zur nächsten bestimmen. Deshalb haben wir uns an einen Profi gewandt: Jörg Bergmeister sitzt beruflich am Lenkrad eines 911ers, das nächste Mal Ende des Monats beim 24-Stunden-Rennen in Daytona (Florida). Als vor mehr als 40 Jahren „der Turbo“ das Licht der Porsche-Autohäuser erblickte, war nicht zu ahnen, dass er einmal zum Inbegriff des Sportwagens aus Zuffenhausen werden und so prägend für die Marke sein würde, wie kaum ein anderes Modell. Außer mit dem sagenhaften „Bumms“, den der aufgeladene Boxer entfachte, mussten seine Fahrer auch mit anderen Besonderheiten klarkommen: „Der Walter“, mit Nachnamen Röhrl, erinnert sich noch gut, dass „der Turbo“ auch nerven konnte.
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„Man musste vor der Kurve schon Gas geben, damit man nach der Kurve wieder Schub hatte.“ Das so genannte „Turboloch“ war eine der Kinderkrankheiten aufgeladener Motoren, denn bis der Abgasstrom stark genug war, um die Verdichter-Turbine zur Arbeit zu bewegen, konnten einige Sekunden vergehen. Das ist Geschichte. Die heutigen Porsche-Turbos sind so spontan und zupackend wie eine hungrige Klapperschlange nach einem Streifenhörnchen schnappt. Dass Jörg Bergmeister eine Ausnahmeerscheinung im Motorsport ist, hat nicht nur mit seinem Talent und familiärer Prägung zu tun. Seine körperlichen Voraussetzungen sind eher hinderlich. „Natürlich habe auch ich mal von einem Platz in einem Formel-Auto geträumt“, gibt er unumwunden zu. „Aber bei meiner Größe habe ich schnell gemerkt, dass ich das vergessen kann. Aus heutiger Sicht muss ich sagen, war auch gut so“. In verschiedenen GT-Klassen stand der über 1,90 Meter lange Familienvater unter anderem in Laguna Seca und Le Mans oben auf dem Siegertreppchen. Nicht nur Körpergröße, auch Gewicht ist ein Handicap. „Zehn Kilo mehr als bei anderen Fahrern können pro Runde ein bis zwei Zehntel ausmachen“, weiß er aus Erfahrung. Als Instruktor unterstützt Bergmeister Produkt-Präsentationen von Porsche-Neuheiten, wie zum Beispiel jetzt beim 911 Turbo. Lässig sitzt er mit angewinkelten Knien im Cockpit eines GT3 RS, in einer Hand das Funkgerät, mit dem er Anweisungen für die nachfolgenden Fahrer gibt. Obwohl ihnen in den Turbos nominal 40 bzw. 80 PS mehr zur Verfügung stehen, haben die meisten Schwierigkeiten, ihm zu folgen. Säße er am Steuer des neuen Spitzen-Elfers würde er den Kurs in Kyalami, wo der Turbo vorgestellt wird, wahrscheinlich noch schneller umrunden als im GT3. Der Grund liegt nicht allein in Allradantrieb des Turbos, sondern darin, dass der Leistungsunterschied an diesem Ort größer ist, als das Datenblatt es weismachen will. Das südafrikanische Motodrom liegt auf etwa 1500 Metern Meereshöhe, der verminderte Luftdruck lässt den Saumotor des GT3 schwerer atmen als auf flach gelegenen Rennstrecken. Der von zwei Turboladern befeuerte Boxermotor bekommt seine Verbrennungsluft aber mit bis zu 1,2 bar in die Zylinder gepresst, zwischen 1950 und 5000 Umdrehungen in der Minute liegt ein gleichbleibendes Drehmoment von mindestens 600 Newtonmetern an. Was Bergmeister besonders begeistert: „Trotz der Mehrleistung gegenüber dem Vorgänger gibt es praktisch keinen Schlupf.“ Zwischen vier und fünf Runden braucht der Rennfahrer auf einem neuen Kurs, dann hat er die Strecke verinnerlicht. Niederschlag und nasse Pisten schrecken den 39-Järhrigen nicht. „Ich fahre gern bei Regen“, sagt er, „da kommt es noch mehr auf Talent und Können an.“ Seiner Einschätzung nach ist der neue 911 Turbo noch agiler in der Einlenkphase geworden, die Traktion vor allem in Kurven größer als bisher. „Auch der Abtrieb ist sehr gut“, sagt der Experte, was den Laien deshalb wundern dürfte, weil der Heckspoiler des ersten Turbos von 1974 ungefähr doppelt so groß war wie beim heutigen Modell. Allerdings hatte der Urahn auch keinen Allradantrieb. Dass die Arbeit im Führungsfahrzeug für Bergmeister nicht mehr als eine Fingerübung ist, kann jeder sehen, der neben ihm im Cockpit Platz nimmt. Während er entspannt und zuweilen einhändig mit mehr als 200 km/h die Start-Ziel-Gerade hinunter schießt, versuchen die Fahrerinnen und Fahrer der Turbos verbissen Schritt zu halten. Nicht jedem gelingt das, und mancher muss an der nächsten Schikane die Abkürzung durchs Kiesbett nehmen. „Letztlich“, und das ist Jörg Bergmeisters Fazit aus den Testfahrten mit dem neuen Turbo, „bin ich immer wieder von der Vielseitigkeit des Autos beeindruckt. Seine Bandbreite deckt den bissigen Kurvenräuber auf dem Rundkurs ab, aber der Turbo ist auch ganz komfortabel und entspannt im Alltagsverkehr zu bewegen.“ Nur eben nicht von jedermann, dafür sorgt schon der Preis. (ampnet/afb)
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