Der Aufwand für 0,2 Sekunden Spurtgewinn gegenüber dem bisherigen Panamera Turbo S ist immens. Der V8-Biturbo-Motor, mit 404 kW / 550 PS nicht gerade schmalbrüstig, wird durch eine 100 kW / 136 PS starke Permanentsynchron-Elektromaschine gedopt, woraus eine Systemleistung von 500 kW / 680 PS erwächst. Die überbordende Leistung ist die eine Seite der Medaille, das immense Gewicht die andere. Rund 300 Kilogramm zusätzliche Masse machen Lithiumionen-Batterie, Nebenaggregate und Steuergeräte aus, wovon der Akku allein rund 130 Kilogramm wiegt. Für das komplette Fahrzeug zeigt die Waage mehr als 2,3 Tonnen an.
Die Batterieeinheit besteht aus acht Modulen zu je 13 Zellen. Der gemeinsame Schub aus beiden Motoren summiert sich auf 850 Newtonmeter, was nicht nur in Bereiche großer Dieselmotoren vorstößt, sondern obendrein im gesamten Drehzahlbereich zwischen 1400 und 5500 Umdrehungen genutzt werden kann. Doch das neue Spitzenmodell will nicht nur als Sprint-Riese gelten, sondern auch als Öko-Sportler. Rechnerisch sind 50 Kilometer emissionsfreie Reichweite drin, was laut Göllner je nach Praxisbedingungen und Fahrweise realen 30 bis 40 Kilometern entspreche. Nach EU-Norm kommt so ein durchschnittlicher Kraftstoffverbrauch von 2,9 Litern je 100 Kilometer heraus.
Die Elektroenergie holt sich der Plug-in-Panamera normalerweise an der Steckdose, doch auch der Messwert für den selbst erzeugten Strom ist beeindruckend. Bis zu 400 Newtonmeter Drehmoment kann das System im Schiebebetrieb für die Rekuperation, das heißt, für die Wiederaufladung der Batterie, nutzen. Per Wahlschalter am Lenkrad bestimmt der Fahrer, wie die mitgeführte Kapazität von 14 kWh eingesetzt wird. Im reinen E-Modus gleitet der Viertürer unter mäßigen Abrollgeräuschen bis maximal 140 km/h dahin, die Ladung kann aber auch „eingefroren“ werden, so dass allein der Verbrenner für den Vortrieb sorgt und die Elektro-Reichweite für einen späteren Zeitpunkt geschont wird. Den aktuell möglichen Radius emissionsfreier Fahrt zeigt der Navigationsmonitor durch eine gelbe Linie auf der Landkarte an, der Verbrauch wird mit 16,2 kWh/100 km angegeben. Dass Porsche bei allem grünen Anstrich nicht vergisst, eine Sportwagenmarke zu sein, zeigen die Fahrmodi „Sport“ und „Sport Plus“ am gleichen Wahlschalter.
Der Panamera Turbo S E-Hybrid ist als Startaufstellung für einen großflächigen Umbau des Modellangebots zu sehen. Auch den neuen Kombi Sport Turismo gibt es bereits als E-Hybrid, und wenn in Kürze ein neuer Cayenne präsentiert wird, sollte es niemanden überraschen, wenn auch dort die Turbo-S-Version mit Elektroschub vorfährt. Der nächste Macan, so war jüngst zu lesen, soll gar als reines Elektrofahrzeug auf den Markt kommen. Viele Baustellen also, weshalb Porsche-Chef Oliver Blume erwartet, „die Übergangsphase wird eine echte Herausforderung“. Lediglich die Baureihen 911 und Boxster/Cayman dürften von der Verstromung verschont bleiben, denn kleine, gewichtsoptimierte Karosserien vertragen sich nicht gut mit großen Batterien.
Das Überraschendste am Panamera Turbo S E-Hybrid ist aber weder die anspruchsvolle Antriebstechnik noch die gehobene Ausstattung. Bei Testrunden auf abgesperrtem Rundkurs kann einem der Verdacht kommen, die Limousine habe die Hälfte ihres erheblichen Gewichts in der Boxengasse stehen lassen. Energisch stürmt der Bolide von einer Kehre zur nächsten, leichtfüßig werden winzigste Lenkbefehle umgesetzt, wobei Einflüsse des auf der Vorderachse liegenden Antriebsmoments unterschwellig bleiben. Heftige Richtungs- und Lastwechsel quittiert der Vollblut-Sportler mit stoischer Ruhe, zu keiner Zeit kommen Bedenken auf, im nächsten Moment könnte die Physik Oberhand über die freigesetzte kinetische Energie bekommen. Gleichermaßen bissig und balanciert zieht der Turbo-Stromer seine Bahnen, wobei das serienmäßige Torque-Vectoring-System für die präzise Einhaltung der Ideallinie sorgt. (ampne/afb)
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