Den in jüngster Zeit so oft zitierten europäischen Standard NEFZ gibt es auch für Elektroautos, Nach dieser Norm erreicht der Nissan Leaf mit seiner nun 30 Kilowattstunden-Batterie 250 Kilometer und sticht in diesem Rollprüfstand-Vergleich den Wettbewerb klar aus. Doch Theorie und Praxis klaffen auch beim Elektro-NEZF weit auseinander. Deswegen gehört Mut dazu, eine Horde kurvensüchtiger Motorjournalisten eine mehr als 70 Kilometer lange Etappe von der Mittelmeerküste hoch auf den Cole zu schicken. Vorsorglich hatte Nissan sie mit einem Ökonomie-Wettbewerb bremsen wollen. Wer oben am meisten Energie in der Batterie hatte, sollte belohnt werden. Aber viele der Akteure wollten nun erst recht wissen, was geht. Oben auf der Kuppe hatten wir nach einem weder schnellen noch langsamen Anstieg knapp 30 Prozent im „Tank“. Als wir der Navigation das nächste Etappenziel eingaben, meldete sich eine freundliche Frauenstimme mit dem Hinweis: „Sie werden das Ziel voraussichtlich nicht erreichen.“ Doch Bangemachen gilt nicht! Schließlich weiß doch jeder, das „Runter kommen sie immer“ bei Fahrern von Elektroautos einen guten Klang hat, denn beim Bergabfahren braucht man weniger bis keine Energie. Im B (wie Brems)-Modus ließen wir uns vom Leaf helfen, die Geschwindigkeit zu reduzieren und von Motor-Generator die kinetische Energie aus dem Gefälle in elektrische Energie für die Batterie umzuformen. Alte Diesel-Freunde wie ich zitieren heute noch gern den Spruch aus der Zeit vor der Entwicklung des Turbo-Diesels: „Lieber den Hals riskieren als den Schwung verlieren!“ Man muss ja nicht gleich das Leben aufs Spiel setzen. Aber die Grundidee passt heute wieder auf das Batterieauto. Da heißt es dann: Vorausschauend fahren, bloß nicht unnötig bremsen! Denn jedes Beschleunigen kostet mehr Energie als das Bremsen über die Rekuperation zurückholen kann. Wir fuhren vom Cole de Turini noch rund 90 Kilometer und kamen mit 30 Prozent gefüllter Batterie an. Wir glauben also, was uns die Anzeige beim Start prophezeit hatte: Reichweite 210 km. Selbst die Nissan-Bordelektronik sah es offenbar realistischer als der NEFZ-Test. Dennoch bleibt als Aussage: Ein Viertel mehr Reichweite ist drin. Die Reichweite wird allerdings nicht von Berg- und Talfahrten allein beeinflusst. Wir hatten einen perfekten Elektro-Mobilitäts-Tag mit 20 Grad Außentemperatur und fast blauem Himmel. Das Tagfahrlicht war ausreichend. Wir mussten nicht belüften, kühlen oder heizen. Auch das beheizbare Lenkrad blieb ausgeschaltet. Nur das Infotainment- und das Nissan-Connect-EV-System lief, mit dem man Batteriedaten abrufen, die Heizung fernsteuern und Kontakt zur Außenwelt halten kann, blieben aktiv. Das alles kostet bei Betrieb Reichweite. Doch gilt auch in der Winternacht: Die Reichweite des neuen Leaf mit der 30 kWh-Batterie liegt um rund ein Viertel höher. Der Leaf bietet ihm dabei ein angenehmes Umfeld. Bei ihm handelt es sich um einen als Fünfsitzer zugelassenen Personenwagen des C-Segments für vier ausgewachsene Personen – von Askese kein Spur. Mehr am Material als an Design und Verarbeitung lässt sich erkennen, dass die Japaner bei der Konstruktion auf Gewicht geachtet haben. Die Batterie wiegt gut 290 Kilogramm, der Leaf ohne Batterie keine 1250 kg. Den Passagieren fehlt nichts. Die Sitze sind ausreichend bequem, der Kofferraum mit 370 Litern auf dem Niveau seiner Klasse. Das Fahrwerk passt ebenfalls zum Kompaktsegment-Anspruch. Zu einer Fahrt mit einem Leaf durch Deutschland weiß Thomas Hausch, Geschäftsführer Nissan Center Europe, seinen ganz eigenen Kommentar: „Das ist immer noch etwas für einen echten Mann.“ Dagegen ist die Tagesetappe zum Cole de Turini ein überschaubares Abenteuer. Wir musste nicht die Tour entlang der vorhandenen Ladestationen planen, vor einer Station mit dem Stecker in der Hand Schlange stehen und anschließend nach Möglichkeiten suchen, die 30 Minuten Zeit fürs Schnell-Laden sinnvoll zu gestalten. (ampnet/Sm)
|