Montag, 3. Juli 2006 Mitsubishi Lancer EVO IX: Männersache
Mitsubishi Lancer Evo IX
Es gibt Autos, die muss der Fahrer verteidigen. Gegen Vorurteile, weil der Heckspoiler so gross ist. Weil die verbauten Teile von Zulieferern kommen, die Recaro, Brembo oder Momo heissen und in der Tuning-Szene hoch gehandelt werden. Die laut sind, teilweise unbequem und ständig den rechten Fuss in Wallung bringen. Ein Vertreter die Spezies ist der Mitsubishi Lancer Evo, der bereits in seiner neunten Auflagen an den Start geht. Ein fahraktiveres Auto fürs Geld bietet kaum ein anderer Hersteller.
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Der Lancer ist eine von Rallye-Fahrzeugen abgeleitete Kleinserie, die ihren festen Anhängerkreis um sich scharrt. Die Nummer neun bringt es mit einem Turbobefeuerten 2.0-Liter auf 280 PS und runde 250 km/h Spitze. 355 Nm bei 3500 U/min sorgen stets für ausgiebigen Vortrieb, ein intelligentes Allradsystem (AWC) für hervorragende Traktion. So ist der Evo gerüstet für schnelle Fahrten, seine eigentliche Heimat liegt auf der Rallyestrecke. Doch da darf man mit dem Testwagen nicht hin. Also ab auf die Landstrasse, Kurven räubern. Und das geht hervorragend mit dem Lancer. Hätte er nicht diesen riesigen Spoiler aus Kohlefaser-Werkstoff (Teil des aufpreispflichtigen Sport-Paketes), sähe er aus wie eine biedere Familienkutsche mit zusätzlichen Lufteinlass auf der Kühlerhaube. Aber wer hier den Vierzylinder weckt, erlebt sein blaues Wunder. Motor an, Kupplungspedal mit einigem Nachdruck treten, den ersten Gang ebenfalls mit etwas Kraft einlegen und ab geht die Post. 5,7 Sekunden vergehen bis Tempo 100, 23 sind es bis Tempo 200. Dabei schiebt der Evo stetig weiter und presst die Passagiere in die Recaro-Sportsitze. Manchmal nervt die etwas hakelige Sechsgang-Schaltung, aber die Anschlüsse stimmen einfach. Dazu gibt es eine sehr direkte Lenkung mit reichlich Fahrbahnkontakt. Der Japaner liegt wie ein Brett und bleibt immer gutmütig. Fahrfreude pur. Das hat natürlich auch Nachteile: Auf schlechten Strassen bohrt sich jede Unebenheit ins Rückenmark des Fahrers, die Karosserie zittert, die Lehne des Beifahrersitzes wackelt wie ein Lämmerschwanz. Hohes Tempo auf der Autobahn quittiert der Evo mit einer Lärmkulisse, die das Radio überflüssig macht, auch wenn man jeden TDI auf der linken Spur alt aussehen lässt. Der 55-Liter-Tank, reicht nach Vollgaspassagen nur für 300 Kilometer, dann ist Tanken angesagt. Bis zu 20 Liter genehmigt sich der Sportler dann, im Schnitt waren es 13 Liter. Aber der Gasfuss juckt eben auch in jeder Sekunde, wenn man in diesem Auto sitzt. Und Bummeln in sechsten Gang im Innenstadtbereich ist auch möglich. Innen sieht der Lancer völlig unspektakulär aus. Die Instrumententafel wurde aus der Serie übernommen und mit ein paar Einlagen in Carbonoptik aufgepeppt, es gibt ein Momo-Sportlenkrad und Alu-Pedale und sogar ein paar elektrische Helfer nebst Klimaanlage. Da trägt das Sportpaket aussen mit dem besagten Spoiler, geschmiedeten BBS-Felgen (17 Zoll) und roten Brembo-Bremssätteln schon dicker auf (Aufpreis 2500 Euro inklusive verstellbarer Bilstein-Dämpfer). Aber das ist auch nicht notwendig, der Evo ist ohne das Paket der erfolgreichere Wolf im Schafspelz. Und eine der günstigsten Optionen, einen echten Sportwagen zu fahren. 39'490 Euro kostet laut Auto-Reporter die Basis, das Sportpaket setzt mehr auf Optik und hat keine Auswirkungen auf die Fahrleistungen. Die Folgekosten für den japanischen Boliden sind allerdings nicht zu unterschätzen. Trotzdem schön, dass es solche Autos noch gibt: Hart, laut, irgendwie ein Testosteron-Beschleuniger.
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