Sonntag, 12. Juni 2016 MG – Auch die Automobilbranche hat ihre „Untoten“
MG Icon. Foto:Hersteller
In der Geschichte des Automobils gibt es immer wieder Marken, die sich weigern zu verschwinden. Lancia klammert sich zurzeit noch an einen letzten Strohhalm, Borgward versucht, einen einst vertrauten, aber inzwischen weitgehend vergessenen Namen wieder zum Allgemeingut zu befördern, und in Großbritannien zeigt MG, dass selbst eine finanzieller Katastrophe nicht automatisch zum Untergang führen muss.
Ein Drehbuch für eine automobile Herz-Schmerz-Geschichte à la Rosamunde Pilcher würde den Ablauf rund um MG wahrscheinlich so gestalten: Die Briten gönnen sich eine Pause, trinken ihren Tee, warten auf den aus der Kulisse nach vorne stürmenden Retter, schmeißen sich ihm an den Hals, die Produktion geht weiter, und das stolze achteckige Markenemblem rollte wieder über die Straße. In der rauen, von nüchternen Controllern und zahlenverliebten Investoren geprägten Wirklichkeit, lief das Comeback der einstigen britischen Sportwagen-Ikone allerdings wesentlich sachlicher ab.
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Der MG-Untergang begann mit dem Ende des britischen Abenteuers, auf das sich BMW eingelassen hatte. Im Jahr 2000 überließen die Bayern MG-Rover einem britischen Konsortium, das sich fünf Jahre später dem Insolvenzrichter stellen musste. MG hat zwar seine technische Heimat noch immer in Birmingham und montiert dort auch die für britische Kunden bestimmten Modelle – doch die finanziellen Entwicklungen werden von China aus gesteuert. Im Jahr 2005 sicherte sich der chinesische NAC-Konzern die Marke, um 2007 selbst von SAIC-Gruppe übernommen zu werden. Zwei Jahre geschah nichts, bis in China der erste MG auf die Straße rollte. Und dort standen die beiden Buchstaben nicht etwa für „Morris Garage“, sondern vielmehr für „Modern Gentleman“. Das mag für Europäer seltsam klingen, doch ist das Marketing der neuen Herren in erster Linie auf China ausgerichtet, und dort kennt man sich in der traurigen britischen Automobilgeschichte eben nicht aus. Außerdem wäre der ursprüngliche Markenname „Morris Garage“ für asiatische Zungen schwer auszusprechen. Die Entwicklungsabteilung der Marke sitzt unverändert in Birmingham. „Hier entwickeln im europäischen Technikzentrum 300 Ingenieure die Konzepte aller neuen MG-Modelle und unterstützen gleichzeitig die Produktentwicklung für China und andere Märkte“, erklärt ein Markensprecher. In Birmingham arbeiten die Entwickler aktuell auch an einem neuen Antriebsstrang, der den Schwerpunkt auf grüne Technologien legen wird. Über Details wird dabei noch nicht gesprochen. Zurzeit ist die Modellpalette sehr überschaubar und für die Freunde der Marke, die an sportliche Roadster und Coupés denken, zudem wahrscheinlich eher enttäuschend. Neben dem kleinen MG 3 und dem kompakten MG 6, die kaum aus der automobilen Masse herausragen, rollt jetzt das erste SUV der Marke zu den Händlern. In China wird außerdem noch der MG 7 (eine Ableitung des ehemaligen Rover 75) verkauft Vom neuen GS versprechen sich die Verantwortlichen einen deutlichen Schub, der auch notwendig ist, denn im vergangenen Jahr kamen im MG-Heimatland Großbritannien gerade 3152 Fahrzeuge der Marke auf die Straßen. Das ist kein Zufall, denn der „wichtigste Markt für MG liegt in China“, erklärte der General Manager Zhang Xin von Nanjing Automobile im Jahr 2007 bei der Eröffnung der neuen Fabrikationsstätte in China. Die Fabrik hat eine Kapazität von 200 000 Automobilen. Der GS, mit dem MG neue Höhen erreichen will, passt in das Segment der kompakten SUV, wo er auf Mitbewerber wie Toyota RAV 4, VW Tiguan oder Nissan Qashqai trifft. Den Antrieb übernimmt ein aufgeladener 1,5 Liter Turbo, der rund 170 PS leistet. Daneben sind auch ein Zweiliter-Benziner, der bereits auf dem chinesischen Markt eingesetzt wird und ein 1,9 Liter Diesel denkbar. Als Bühne für die Markteinführung wählten die Briten die diesjährige London Motor Show. Über den Preis für den Hoffnungsträger hüllen sich die Verantwortlichen noch in Schweigen – doch soll die aufgerufene Summe „familienfreundlich“ ausfallen. Auf jeden Fall wird es nicht leicht werden, gegen die etablierten Modelle in dieser Klasse erfolgreich anzutreten. Ein Lockmittel wird da wahrscheinlich der Preis sein. Und wie geht es weiter mit MG? Brechen bald wieder die sonnigen Zeiten an, als der MG B für den Inbegriff des britischen Roadsters stand?
Wenn Konzeptstudien ein Indiz für die künftige Ausrichtung sind, dann müssen die Freunde britischer Roadster ganz stark sein. Die vorerst letzte Studie, mit der ausgerechnet auch noch das 90-jährige Bestehen der Marke gefeiert wurde, war vor zwei Jahren – ein Elektro-Kleinwagen, der 14,6 Sekunden benötigt um auf 100 km/h zu kommen und eine Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h erreicht.
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