Der Mercedes-Benz 300 SL entsteht zunächst als reinrassiger Rennsportwagen (W 194). 1952 fährt das Coupé die wichtigen Rennen des Jahres: Beim Preis von Bern gelingt der Dreifachsieg. Das 24-Stunden-Rennen von Le Mans beendet der Rennsportwagen mit einem Doppelsieg. Und schliesslich die Carrera Panamericana Mexico - und wieder holt ein 300 SL den Sieg. Eine Serienfertigung des 300 SL ist zunächst nicht geplant. Doch Maximilian Hoffman liegt dem Vorstand schon länger mit einem Wunsch in den Ohren: Der offizielle Importeur für Mercedes-Benz in Amerika wünscht für seine betuchte Kundschaft einen Sportwagen. Basis könne das Rennsport-Coupé sein. Nach langen Abwägen fällt die Entscheidung: Die Strassenversion des 300 SL (W 198) kommt, und auch noch ein kleinerer offener Sportwagen, der 190 SL (W 121). Keine sechs Monate nach dem Vorstandsbeschluss sollen die beiden Sportwagen ihre Premiere feiern - in Amerika. Der Wettlauf mit der Zeit gelingt. Mercedes-Benz erlebt auf der Motor Show eine enorm positive Resonanz auf den 300 SL und seinen kleinen Bruder, den 190 SL. Die Serienproduktion beginnt im August 1954 im Werk Sindelfingen. Der Preis wird zu 29'000 Mark festgelegt. Die Karosserie des 300 SL folgt vor allem einem Gesetz: einen möglichst geringen Windwiderstand zu bieten. Daraus resultiert fast zwangsläufig die schnörkellose und zweckgebundene Form, die sich heute noch als frisch und attraktiv präsentiert. Das Auto ist ein Publikums-Magnet, nicht zuletzt wegen seiner Flügeltüren. Sie sind Dreh- und Angelpunkt des Designs, dabei aber kein marktschreierischer Gag, sondern sie haben eine zwingende, konstruktiv bedingte Ursache. Denn die Aluminiumhaut des 300 SL bedeckt einen Rohrrahmen, der an den Fahrzeugflanken zum Vorteil der Stabilität weit nach oben reicht - herkömmliche Türen kann man nicht unterbringen. Der Gitterrohrrahmen – übrigens von Rudolf Uhlenhaut konstruiert - vereint höchste Stabilität mit geringem Gewicht. Im Serien-SL wiegt der Rahmen gerade mal 82 Kilogramm und das gesamte fahrfertige Auto inklusive Reserverad, Werkzeug und Treibstoff 1295 Kilogramm. Die Karosserie des 300 SL wird zum grössten Teil aus hochwertigem Stahlblech hergestellt, die Motorhaube, die Kofferraumklappe, die Schweller- und Türhaut jedoch aus Aluminium. Auf Wunsch und gegen einen verhältnismässig geringen Aufpreis besteht die gesamte Karosserie aus Leichtmetall, was das Auto um 80 Kilogramm leichter macht. Doch diese Option gönnen sich nur 29 SL-Kunden. Die Technik des 300 SL basiert zum Teil auf der Limousine Mercedes-Benz Typ 300 (W 186 II). Der Sechszylinder-Motor wird stark modifiziert und erhält unter anderem eine Benzin-Direkteinspritzung. Mit 215 PS erreicht der 300 SL je nach Hinterradübersetzung bis zu 260 km/h, fünf unterschiedliche Übersetzungen sind erhältlich. In 10 Sekunden sind 100 km/h erreicht. Den Verbrauch ermittelten zeitgenössische Autotester mit durchschnittlich rund 15 Liter Benzin. Im Heck ist ein 100-Liter-Tank untergebracht, der gegen Aufpreis auf bis zu 130 Liter erweitert wird. Damit der Motor im flachen Auto überhaupt untergebracht werden kann, wird er um 45 Grad nach links geneigt. Jedoch nimmt das Aggregat dem Beifahrer etwas Fussraum weg. Der Schwerpunkt liegt fast genau in der Fahrzeug-Mitte, was eine gute Voraussetzung für exakt und schnell gefahrene Kurven ist. Das Fahrwerk entspricht im Wesentlichen dem der Limousine des Typs 300a, ist aber sportlicher abgestimmt. Die zunächst verwendeten Trommelbremsen sind auf die Sportwagen-Leistung ausgelegt. Erst viel später, 1961 als Roadster, erhält der 300 SL rundum Scheibenbremsen. Die ersten 300 SL werden 1954 zunächst in Europa verkauft. Maxi Hoffman erhält sein erstes Kundenauto im März 1955. Insgesamt werden 1400 Flügeltürer gebaut. Der grösste Teil, etwa 1100 Stück, gelangen in die USA.
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