Doch die immense Strahlkraft des Flügeltürers setzt die gesamte SL-Reihe bis zum heutigen Tag ins Licht. Auf seiner Basis kommt 1957 der offene Typ 300 SL Roadster (W 198 II), der parallel zum Typ 190 SL gebaut wird. Der zweisitzige offene Wagen wird somit zur typischen Karosserieform der SL-Familie, dessen Modellbezeichnung die Begriffe „Super – Leicht“ abkürzt. Der Typ 190 SL ist das alltagstauglichere Auto. In diesem Sinn und weil es ihn von vornherein ausschließlich mit Faltverdeck gibt, ist er als Vorgänger aller späteren SL-Baureihen anzusehen. Das Unternehmen charakterisiert ihn im Januar 1954: „Der Typ 190 SL stellt einen Touren-Sportwagen dar, der sowohl als Tourenwagen wie als tägliches Gebrauchsfahrzeug wie aber auch als sportliches Fahrzeug Verwendung finden kann und über dies hinaus auch zu sportlichen Veranstaltungen kleineren Stils benützt werden kann. [...] Dieses Fahrzeug, das wir ausdrücklich als Touren-Sportwagen bezeichnen wollen, bietet also somit dem Besitzer die Möglichkeit, dieses als zweisitziges Fahrzeug für jeden Verwendungszweck zu benützen.“ Bei anderer Gelegenheit heißt es: „Unseren Tourenwagen Typ 190 SL stellen wir Ihnen nicht als den kleinen Bruder des 300 SL vor. Er gilt vielmehr als ein Spitzenerzeugnis seiner Klasse [...]“ 1963 erscheint die SL-Baureihe W 113, wegen der charakteristischen Dachform ihres Hardtops „Pagoden-SL“ genannt. 1971 folgt die Baureihe R 107, die aufgrund der langen Bauzeit von 18 Jahren bisher die SL-Reihe mit der größten Stückzahl ist. Im März 1989 stellt Mercedes-Benz dann die Baureihe R 129 vor, die von zahlreichen technischen Innovationen geprägt ist und die SL-Klasse ins neue Jahrtausend trägt. Sie wird nach zwölf Jahren Bauzeit und zwei Modellpflegen im Jahr 2001 von der Baureihe R 230 abgelöst – erstmals mit einem Stahl-Faltdach.
Der Typ 190 SL ist technisch verwandt mit den „Ponton“-Limousinen der Baureihe W 120/121, wie sie wegen der charakteristischen Karosserieform landläufig genannt werden. Er trägt die interne Bezeichnung W 121, die der 1956 erscheinende Typ 190 ebenfalls erhält. Von vornherein ist der Typ 190 SL als zweisitziges Cabriolet ausgelegt. In den 1950er Jahren verschiebt sich die Bedeutung der Gattungsbezeichnung Roadster. Klassischerweise ist er ein recht spartanisch ausgestatteter, sportlicher Zweisitzer beispielsweise mit Steckscheiben und abnehmbarem Stoffverdeck inklusive Dachgestell. Doch die Komfortansprüche der Kunden sind gestiegen, und dem trägt der Tourensportwagen Mercedes-Benz 190 SL Rechnung. Obwohl er also im klassischen Sinn kein Roadster ist, wird er in der Lesart des Hauses so bezeichnet. Im Gegensatz zum Typ 300 SL ist er auch nicht als reinrassiger Sportwagen, sondern als sportlich-elegantes zweisitziges Reise- und Gebrauchsauto konzipiert. Drei Versionen gibt es: einen Wagen mit Stoffverdeck (Preis Februar 1955: 16 500 DM) sowie ein Coupé mit abnehmbarem Hardtop, wahlweise mit oder ohne Stoffverdeck (Preis September 1955: 17 650 DM/17 100 DM). Zum Vergleich: Der Typ 300 SL kostet im Jahr 1954 29 000 DM, und die Limousine vom Typ 180 steht 1954/55 mit 9450 DM in der Preisliste. Auf Wunsch kann im Fond ein dritter Sitz quer zur Fahrtrichtung untergebracht werden. Die Fachpresse lobt den Typ 190 SL unter anderem für seine sicheren Fahreigenschaften. Dafür sorgt unter anderem die bereits vom Typ 220a bekannte Eingelenk-Pendelachse mit tief gelegtem Drehpunkt. Die Vorderradaufhängung einschließlich des Fahrschemel-Konzepts hat man vom Typ 180 übernommen, von dem auch die Bodengruppe stammt, die freilich verkürzt ist. Neu entwickelt ist der 1,9-Liter-Ottomotor mit der Nummer M 121 B II. Das Vierzylinder-Aggregat hat eine oben liegende Nockenwelle und gilt als Urvater einer ganzen Motorenfamilie. Im Mercedes-Benz 190 SL leistet es 77 kW bei 5700/min und beschleunigt das Fahrzeug in der Variante mit Stoffdach in 14,5 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt respektable 170 km/h.
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