Donnerstag, 27. Mai 2010 Mercedes-Benz 130 (W 23, 1934 bis 1936)
Mercedes-Benz 130 Limousine (Baureihe W 23, Bauzeit: 1934 bis 1936). Im Foto ein Fahrzeug nach der Modellpflege des Jahres 1935.
Der Typ 130 (W 23) wird im März 1934 auf der Internationalen Automobil- und Motorrad-Ausstellung (IAMA) in Berlin vorgestellt. Zum Zeitpunkt der Präsentation ist er nicht nur der kleinste Serien-Pkw, der erste Heckmotorwagen und das erste Vierzylindermodell von Daimler-Benz, sondern auch der erste in Großserie hergestellte deutsche Heckmotorwagen, sieht man von diversen Kleinstwagen ab. Offiziell trägt er nie das „H“ in der Typenbezeichnung.
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Das Fahrzeug macht neugierig und weckt fast die Erwartung, innen größer als außen zu sein – und enttäuscht nicht. Er überrascht mit einem erstaunlich geräumigen Innenraum, nicht viel kleiner als beim Mercedes-Benz 170 mit Sechszylindermotor. Der wassergekühlte 1,3-Liter-Vierzylindermotor ist eine Neukonstruktion mit stehenden Ventilen und Steigstromvergaser, leistet 19 kW bei 3400/min und ermöglicht eine Höchstgeschwindigkeit von 92 km/h. Damit ist das Fahrzeug sogar geringfügig schneller als der Typ 170. Zupass kommt ihm dabei seine für die damalige Zeit strömungsgünstige Form. Mercedes-Benz liefert den Typ 130 als zweitürige Limousine und als zweitürige Cabrio-Limousine. Für Behörden-Sonderzwecke werden auch Versionen als offener Tourenwagen und Kübelwagen angeboten. Zudem hat es Pläne gegeben, auch das blanke Fahrgestell für Sonderkarosserien zu offerieren, doch für die Umsetzung fehlen Nachweise. Als Nachteil der Heckmotorwagen wird oft ihr Fahrverhalten angeführt, das aufgrund ihrer Gewichtsverteilung schwierig sei – in zu schnell gefahrenen Kurven kann es zum Übersteuern kommen, also zu einem nach vorn drängenden Heck. Keine Frage: Aufgrund physikalischer Grundlagen ist diese Tendenz vorhanden, und zwar generell bei Heckmotorfahrzeugen aller Hersteller. Zeitgenössische Fahrberichte zu den Mercedes-Benz Fahrzeugen testieren diese Tendenz und sparen nicht mit Kritik, sagen aber gleichwohl, dass der Fahrer sich darauf einstellen könne und das eben auch tun müsse, dann sei man in jeder Situation sicher unterwegs. Der innovative Typ 130 wird den in ihn gesetzten Erwartungen nicht gerecht. Offenbar ist er seiner Zeit zu weit voraus, insbesondere mit seiner für einen Mercedes-Benz sehr ungewöhnlichen Form. Bis Anfang 1936 entstehen zwar fast 4300 Exemplare, der Typ 170 bringt es im gleichen Zeitraum jedoch auf gut 6000 Einheiten. Dennoch wird er nach zwei Jahren von einem Modell gleicher Grundkonzeption abgelöst: dem Typ 170 H (W 28), der leistungsstärker und etwas größer, aber zugleich auch teurer ist. Als Einsteigermodell in das Mercedes-Benz Pkw-Programm fungiert nun der zeitgleich mit dem Typ 170 H vorgestellte Mercedes-Benz 170 V (W 136), der Nachfolger des Typ 170 (W 15) mit vorn angeordnetem Motor. Der Typ 170 V kann den Erfolg seines Vorgängers noch steigern und wird mit zum meistgebauten Mercedes-Benz Modell vor 1945. Zudem bildet er nach dem Zweiten Weltkrieg die Basis für die Wiederaufnahme der Pkw-Produktion. Der in der Vorentwicklung tätige Ingenieur Josef Müller, der nicht nur für den Formelrennwagen W 25 des Jahres 1934 entscheidende Impulse liefert, gibt sich mit dem Konzept des Typ 130 nicht zufrieden. Auf seinen Zeichenbrettern entstehen 1934 zwei äußerst beachtenswerte Vorschläge. Der eine ist ein Wagen mit Heckmotor quer über der Hinterachse und einem Achsantrieb zwischen Kupplung und Getriebe. Ziel dieser Konstruktion ist ein möglichst kleiner hinterer Überhang. Der zweite Vorschlag von Müller, der auch die Vorstellungen von Prof. Wunibald Kamm über die Vorteile des Frontantriebs kennt, verlegt den gesamten Antriebsblock in Frontposition. Müller verspricht sich einen besseren Geradeauslauf und einen größeren Kofferraum. Doch zu einer Serienentwicklung kommt es nicht.
Mercedes-Benz 130 V (W 144) Noch während der Produktionsvorbereitung des Typ 170 V wird bei Daimler-Benz ein erneuter Anlauf zur Entwicklung eines kleineren Fahrzeugs unternommen. Gustav Röhr, seit 1935 neuer Leiter der Pkw-Entwicklung, plant eine vollkommen neue Pkw-Modellpalette, die modular konzipiert ist. Als kleinstes Modell ist der Typ 130 V (W 144) vorgesehen, ein für die damalige Zeit außerordentlich fortschrittliches Automobil. Er hat Frontantrieb und einen 24 kW starken wassergekühlten Vierzylinder-Boxermotor mit 1,3 Liter Hubraum. Angeflanscht ist ein Fünfgang-Getriebe, dessen fünfter Gang als Schongang ausgelegt ist. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 100 km/h und liegt damit etwas unter dem Mercedes-Benz 170 V.
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