Großraum Stuttgart, Frühling 2011: Leicht getarnt ziehen sie ihre Bahnen, die neuen SLS AMG Roadster. Für den Kenner leicht zu identifizieren, doch für so manch einen sind die Zweisitzer mit dem Stoffverdeck nur irgendwelche Prototypen: weder Mercedes-Sterne, noch Typenschilder sind zu sehen, dafür schwarze Folie an Front, Heck und Fahrzeugflanke. Doch die Proportionen sprechen für sich: Lange Haube, große Räder und kurzes Heck lassen eine atemberaubende Sportwagen-Form erkennen. Bis zur Weltpremiere im September 2011 auf der Internationalen Automobil-Ausstellung in Frankfurt/Main sind noch einige Monate Zeit. Zeit, um den Reifegrad des neuen SLS AMG Roadster sicher zu stellen. Die Hauptarbeit haben die AMG Verantwortlichen bis dato schon hinter sich, denn konzeptionell sind Coupé und Roadster parallel entstanden. Grundlage bei der Entwicklung und Erprobung eines neuen AMG High-Performance-Automobils ist der digitale Prototyp (DPT). Ausgiebige Untersuchungen helfen dabei, bestimmte Zielsetzungen zu erreichen. Ob Rohbau-Konstruktion, Gewichtsverteilung, Einbauposition des Motors, Schwerpunktlage oder Achskonstruktion, aber natürlich auch Fahrdynamik, Aerodynamik, Ergonomie, Crashverhalten und Produktionsprozess – modernste Simulationsprogramme ermöglichen die realitätsnahe Abbildung eines Fahrzeugs und all seiner Eigenschaften. Der digitale Prototyp ist somit ein komplettes virtuelles Automobil. Dabei nutzt AMG das reichhaltige Know-how derMercedes-Benz Kollegen: Wie beim Coupé wurde auch für die offene Variante des SLS AMG die vernetzte Entwicklung mit ausgewählten Mercedes-Benz Entwicklungsbereichen des Mercedes Technology Centers (MTC) in Sindelfingen intensiviert. Modernste Simulationsprogramme und aufwändige Testfahrten auf allen Kontinenten machen den 420 kW (571 PS) starken Roadster fit für die Markteinführung im Herbst 2011. Ihren Fokus legten die Experten aus Affalterbach dabei auf die Themenfelder Rohbau-Steifigkeit, Fahrdynamik, Verdeck und NVH – dieser Begriff steht für „Noise, Vibration, Harshness“ und bedeutet Geräusch, Vibrationen, Rauheit.
Um trotz fehlenden Dachs ein identisches Fahrdynamik-Niveau zu erzielen wie beim Coupé, verfügt der Roadster über zwei weitere den Rohbau versteifende Maßnahmen: Der Träger der Instrumententafel stützt sich über zusätzliche Streben am Windschutzscheibenrahmen sowie auf dem Mitteltunnel ab, zudem versteift eine Domstrebe zwischen Verdeck und Tank die Hinterachse. All dies verhindert unerwünschte Schwingungen bereits im Ansatz und macht den Einsatz zusätzlicher, gewichtstreibender Schwingungstilger, wie sie häufig bei Wettbewerbsfahrzeugen zu finden sind, überflüssig. Ein weiterer, wichtiger Aspekt: Nur wenn der Rohbau die gewünschte Steifigkeit hat, kann das Verdeck während der Fahrt elektrohydraulisch bis zu einem Tempo von 50 km/h sicher geöffnet und geschlossen werden. Im Übrigen sind die Längsträger im Front- und Heckmodul beider SLS AMG Modelle identisch. Der Rohbau des Roadsters bringt nur 243 Kilogramm auf die Waage – ein vergleichbar geringes Gewicht wie der Rohbau des SLS AMG Coupé mit 241 Kilogramm.
Ebenso ein Fahrdynamik-Thema ist das dreilagige Stoffverdeck des SLS AMG Roadster, das sich Platz sparend in Z-Faltung hinter den Sitzen ablegt. Die gewichtsoptimierte, kombinierte Magnesium-Stahl-Aluminium-Konstruktion sorgt für einen tiefen Schwerpunkt und ist für Tempi bis zur Höchst-geschwindigkeit von 317 km/h (elektronisch begrenzt) ausgelegt. Egal ob offen oder geschlossen: Auch bei Topspeed darf kein störendes Flattern, Wummern, Zischen, Klappern, Pfeifen oder Heulen auftreten. Ebenso müssen das aufsteckbare Glas-Windschott sowie die Verkleidungsteile im Innenraum, am Verdeck und an der Bordkante vibrationsfrei befestigt sein. Nichts darf den Open-Air-Genuss beeinträchtigen. Die Grundlage für belastbare, kundenfähige Ergebnisse sind exakt definierte Versuchsfahrten auf den Hochgeschwindigkeitskursen von Papenburg, Nardo oder Idiada.
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