Dienstag, 26. Juli 2011 Grosser Mercedes (W 07), 1930 bis 1938
Baureihe W 07, 1930 bis 1938: Diese Pullman-Limousine des japanischen Kaisers aus dem Jahr 1932 ist eines von seinerzeit drei gelieferten Fahrzeugen und steht heute im Mercedes-Benz Museum.
Gegen Ende der 1920er-Jahre ist für Mercedes-Benz die Zeit reif geworden für einen neuen Markstein im Segment der Spitzenautomobile. Der Typ 630 ist nicht mehr zeitgemäß, und Daimler-Benz droht angesichts des Ende 1929 vom Konkurrenten Maybach herausgebrachten Typ Maybach 12 mit V12-Motor (7 Liter Hubraum, 150 PS/110 kW) und des ein Jahr später auf dem Pariser Salon präsentierten Typ Zeppelin (8 Liter Hubraum, 200 PS/147 kW) den Anschluss in der Klasse der Spitzenautomobile zu verlieren. Allerdings geht Daimler-Benz angesichts des Rufs der Marke und der jüngeren Erfahrungen im eigenen Haus vorsichtig mit technischen Neuerungen um. Das Fachblatt „Motor und Sport“ berichtet 1932 anlässlich des Tests des „Großen Mercedes“ zu diesem Thema:
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„Im Gegensatz zur amerikanischen Auffassung, die bei Vertretern dieser Preisklasse sich zum V-Motor 12- oder 16zylindriger Bauart bekennt, ist man beim Großen Mercedes mit beachtenswerter Nüchternheit bei der achtzylindrigen Reihenbauart verblieben. Bei einem Fahrzeug, dessen Grundtendenz jedoch so auf Exclusivität gerichtet ist wie in diesem Fall, hielt man indessen jeden Exkurs in unbekannte Gefilde für verhängnisvoll. So wurde die Neukonstruktion des Hauses Daimler-Benz ein freudiges Bekenntnis zu traditionellen Bindungen.“ Es stimmt, aus technischer Sicht ist der intern W 07 genannte „Große Mercedes“ kein Sprung in neue Technologien. Da hatte die Öffentlichkeit durch den ein Jahr später 1931 herausgekommenen Mercedes-Benz 170 (W 15) mit seinem fortschrittlichen Fahrwerk inklusive Einzelradaufhängung durchaus eine hohe Erwartungshaltung. Trotz seiner konservativen Fahrwerkkonstruktion mit vorderen und hinteren Starrachsen überrascht aber das neue Topmodell durch seine sauberen Fahreigenschaften als Folge einer gekonnten Fahrwerkabstimmung. Auch da ist „Motor und Sport“ aufschlussreich: „Der Grosse Mercedes ist ein überaus schneller Wagen. Er erreicht mit Limousinenaufbau eine Geschwindigkeit von 150 km/h. Dies ist eine Leistung, die in weiten Kreisen als Rennfahrertempo empfunden wird.
Die 7,7 Liter große Achtzylindermaschine in Reihenbauweise ist fortschrittlicher solider Motorenbau, gemessen am Achtzylindermotor des Typs Nürburg, aber nicht hoch entwickelt, gemessen am Motor des Vorgängers vom Typ 630. Eine Besonderheit im internationalen Vergleich bleibt die Ausrüstung mit dem damals auf Wunsch lieferbaren Kompressor, der die Leistung von 150 PS (110 kW) auf 200 PS (147 kW) steigert. Der Wagen ist, auch das eine Besonderheit der Baureihe W 07, für einen Minderpreis von 3000 Reichsmark ohne Kompressor lieferbar. 13 Kunden machen von dieser Möglichkeit Gebrauch. Die hängenden Ventile werden durch eine unten liegende Nockenwelle über Stößel und Kipphebel betätigt. Der Zylinderkopf aus Grauguss wird von einer Ventilhaube aus Elektron abgedeckt. Der Motorblock aus chromnickellegiertem Grauguss beherbergt die neunmal gelagerte Kurbelwelle und wird nach unten durch eine Ölwanne aus Elektron abgeschlossen. Im Zylinderkopf sind je acht Zündkerzen des mit kombinierter Batterie- und Magnetzündung arbeitenden Triebwerks untergebracht.
Bemerkenswert während der Produktionszeit dieses „Großen Mercedes“ ist der Karosserie-Stilwandel, der sich innerhalb der fast achtjährigen Produktionszeit vollzieht. Sind es am Anfang noch sehr kantige Aufbauten mit senkrecht stehenden Windschutzscheiben und Hecks ohne Kofferräume, so entwickeln sich mit der Zeit rundere Formen, schräger stehende Windschutzscheiben und zunächst angesetzte Kofferräume, bis diese zuletzt in die Gesamtform integriert sind. Auch von der Seite stehen die Räder, und hier vor allem die Vorderräder, nur von einem geschwungenem Blech als Kotflügel überdacht, ziemlich isoliert dar. Mit der Zeit sind auch die Kotflügel mit ihren heruntergezogenen Schürzen und die darin sich befindenden Räder eher als integrierter Bestandteil des Gesamtdesigns zu sehen und zeigen eine homogenere Seitenansicht der Karosserie. Interessant ist auch, dass die Höchstgeschwindigkeit bei den letzten Modellen von 150 km/h auf 160 km/h angehoben wird, und das ohne Erhöhung der Motorleistung – ein bescheidener Erfolg runderer Karosserien. Eine Besonderheit im Mercedes-Benz Personenwagenprogramm ist das Multifunktionslenkrad mit fünf Zusatzfunktionen: dazu gehören Hupen per Signalring, Auf- und Abblenden durch den in der Mitte des Lenkrads platzierten Knopf, der mit dem Markenemblem mit Stern und Lorbeerkranz verziert ist, sowie die durch drei Hebel bedienbaren Funktionen der Gemischregelung, Zündung und des Schnellgangs. Das Karosserieangebot besteht laut Katalog des Jahres 1931 aus Pullman-Limousine, Cabriolet D, Cabriolet F und Offener Tourenwagen.
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